Animal Collective - Fall be kind

Domino / Indigo
VÖ: 11.12.2009
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Mystery Machines

Manchmal kommt es einem schon so vor, als würden im Animal-Collective-Hauptquartier die Sampler, Synthies und Gitarren ohnehin 24/7 auf Random/Repeat laufen - und ab und an halt mal ein Aufnahmegerät reingehalten, ein Kastraten-Chor im Narrhallamarsch durch die Gewölbe gepeitscht oder viersekündlich hinter Türen, Zimmerpalmen und Sofalehnen hervorgesprungen, um das Herzklopfen von Scooby Doo zur Beatreife zu triggern. Jedes Jahr zeitigt mindestens ein neues Album. Und jedes Album hat wenigstens eine EP im Gepäck. Im Falle von "Fall be kind" reicht nun aber selbst das nicht mehr. Denn hier weiten Animal Collective das EP-Konzept auch noch fast auf Albumlänge aus. Und bieten zudem zwei echte Bonbons: Die ersten zwölf Minuten verdichten die bereits live seit etlichen Monaten abgefeierten und teils bereits für "Merriweather Post Pavillon" heiß erwarteten "Graze" und "What would I want? Sky" zu einem Doppel der Extraklasse.

Und es wird zugleich deutlich, weshalb es die beiden Stücke doch nicht auf den großen Vorgänger geschafft haben. Die Flächigkeit von "Graze" breitet sich wie ein Paraffin-Film unter den Klaviertropfen aus. Die Stimmen üben sich in großen, fordernden Gesten, dominieren klarer und winden sich nicht mehr als derart diffizile Multi-Layer in den Songkörper zurück. Im Abschluss schlackert ein Bluegrass-Rhythmus durchs Panflöten-Halligalli. Und dreht sich schließlich auf glitschigen Klanggewinden alle Schrauben locker: Da ist der Anschluss an den Weird-Folk von "Feels" mindestens ebenso hörbar wie der an das Letztwerk. "What would I want? Sky" schnattert hingegen ein einziges, repetitives Gebet. Panda Bear und Avey Tare singen rhythmische Konter auf zwei Akkorde, die zunächst in einer tranceartigen Underworld-Schleife zu kulminieren scheinen. Bevor sie - angeleitet von einem Vokal-Loop aus Grateful Deads "Unbroken chain" und delayten Gitarren - in einem feingetunten Kanon aus Gospel-Chorälen, Beach-Boys-Phrasierungen und Streicher-Versätzen umhertrudeln.

Was diese beiden Songs so großartig macht, ist letztlich die Klarheit, mit der sie ihre Melodien exekutieren. Gegen diesen Beginn kann der Rest eigentlich nur sacht abstinken. Was bei Animal Collective natürlich noch mindestens höchstes Niveau bedeutet. Vor allem "I think I can" gibt noch mal alles, erarbeitet sich ein gewohnt heiß gewaschenes Hummelbrummen mit schnalzenden Sound-Spitzen, hochmelodischen Sprüngen, sich gegenseitig ausstechenden und wieder anfeuernden Hallraum-Gesängen. Und einem Beat, der auch bei den besseren Depeche Mode immer wieder ebenso neben wie genau auf dem Gesang sitzt. Sowie einem östlichen Dunstschleier, der bereits den Dream-Pop-Ansatz der mittleren Siouxsie & The Banshees beschwipst aus der Spur taktete.

Deshalb ehrt es "Fall be kind" zusätzlich, dass Animal Collective sich genau diesen großen Beginn gönnen, um hinterher ein wenig rumzudrucksen. Verschiedene andere Lösungen wären denkbar gewesen, doch nur so erspielt sich "Fall be kind" eine Ehrlichkeit, die sogleich als Sympathiebonus durch die gesamte halbe Stunde springt. Damit sind Animal Collective durch einen erneut sehr kleinen, doch weitreichenden Kniff absolut und ausschließlich bei sich selbst. Stellen die Geräte ab, treiben die Kastraten aus dem Studio, entlassen Scooby Doo endlich in eine wohlverdiente Ohnmacht. Und machen - wie Tare verkündet - erstmal Pause. Wer's glaubt...

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Graze
  • What would I want? Sky

Tracklist

  1. Graze
  2. What would I want? Sky
  3. Bleed
  4. On a highway
  5. I think I can
Gesamtspielzeit: 27:22 min

Im Forum kommentieren

napoleon dynamite

2010-01-09 08:49:51

hier das sehr amüsante brothersport video:

http://www.myanimalhome.net/

gn

2010-01-08 22:11:52

Hier die wunderbaren, für die BBC eingespielten Versionen von 'What Would I Want? Sky und 'Lion In A Coma'.

Wordjonglage

2009-12-11 14:51:41

@Gehilfe: vocal loop, einfach nur Loop, Stimmloop...meinetwegen...aber Vokal-Loop ist ein ganz merkwürdiges Denglisch. ;) koes Zitat macht auch nochmal deutlich: Tobias Hinrichs war gedopt.

EP

2009-12-11 09:02:32

Es ist nicht die erste EP die hier reviewt wird...

koe

2009-12-11 07:37:00

Nochmal etwas deutlicher:

Vor allem "I think I can" gibt noch mal alles, erarbeitet sich ein gewohnt heiß gewaschenes Hummelbrummen mit schnalzenden Sound-Spitzen, hochmelodischen Sprüngen, sich gegenseitig ausstechenden und wieder anfeuernden Hallraum-Gesängen. Und einem Beat, der auch bei den besseren Depeche Mode immer wieder ebenso neben wie genau auf dem Gesang sitzt. Sowie einem östlichen Dunstschleier, der bereits den Dream-Pop-Ansatz der mittleren Siouxsie & The Banshees beschwipst aus der Spur taktete.

......"Am Kopf kratz"...

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