Blur - All the people... Blur: Live in Hyde Park 02/07/2009
Live Here Now / Sandbag / Parlophone / EMIVÖ: 20.11.2009
Park live
Sie tun's. Sie tun's nicht. Sie tun's. Sie tun's nicht. Sie tun's. Es wurden sicherlich diverse Blätter aus dem NME gezupft, bis Blur es tatsächlich taten. Nach all den wohl dokumentierten Ankündigungen und Dementis stand der Londoner Vierer am 2. und 3. Juli 2009 leibhaftig auf der Bühne des heimatlichen Hyde Parks. Und gerade einmal zwei Minuten hatte es gedauert, bis 110.000 Tickets für die beiden Konzerte vergriffen waren. Eine Band trifft auf Erwartungen. Noch besseres Timing hätte man der Band einzig dann attestieren müssen, wenn sich Oasis am Tag der Blur-Wiederkunft zerlegt hätten und nicht erst acht Wochen später.
Der medienwirksame Zwist zwischen Damon Albarn und den Gallaghers ist natürlich längst Geschichte. Daran, dass dies für den Britpop der neunziger Jahre ebenso gilt, waren Blur keineswegs unschuldig. Ein Blur-Konzert muss sich daher natürlich als allererstes der Nostalgie stellen. Dass sich die Band der Verantwortung als prägender Einfluss auf die popkulturelle Sozialisation des Vereinigten Königreichs durchaus bewusst ist, dokumentieren die beiden als "All the people... Blur: Live in Hyde Park" betitelten Doppelalben. Beim Rückblick auf Vergangenes kann es allerdings häufig zu leichten Verzerrungen kommen, und das darf bei Blur durchaus wörtlich genommen werden.
Die Blur des Jahres 2009 haben ihren Frieden mit dem naiven Frühwerk und den akademischen Mittelklasse-Betrachtungen der mittleren Neunziger gemacht, mischen die damaligen Klassiker aber auch gerne mit späteren Erkenntnissen auf. So trifft der nölige Überschwang des erwartbaren Greatest-Hits-Sets auf charmanten Lärm und wohldosierte Ruppigkeiten. Beim euphorisch begrüßten "Girls and boys" wirkt es beizeiten so, als wolle die Band dem Synthloop davonrennen, aber die dazu nötige Energie fließt dann doch in das Hüpfen der johlenden Meute. Auch "Parklife" hat es eilig, damit Eastenders-Schauspieler Phil Daniels dem Park seine eigene Hymne noch eine Spur authentischer - also in vernuschelterem Cockney - darbieten kann. In "Badhead" wird der Trennungsschmerz nicht mehr nur mit dem Kater am Morgen verglichen, sondern auch noch passend nachgestellt. Und in "For tomorrow" grölt das mit der Band erwachsen gewordene Publikum gegen fette Bläser an. Da zeigt sich eine in der Erinnerung fälschlicherweise ausgeblendete Vielschichtigkeit. Nicht nur die Legende dieser Band ist gewachsen, sondern gleichzeitig auch ihre Songs.
Umdeutungen sind jedoch kein Privileg der klassischen Britpop-Songs: Das auf "Think tank" noch dezent verhuschte "Out of time", erst nach Graham Coxons Ausstieg entstanden, wird durch dessen krachige Gitarre geerdet. Womit wir wieder bei den Verzerrungen wären. Der zunächst verschleppte Übersong "Song 2" klang noch nie so sehr nach den Hives wie hier. Und bei "Coffee & TV" - am ersten Tag mit quietschendem Feedback - lässt sich Coxon für seinen wohl schönsten Song angemessen feiern. Überhaupt muss er reichlich Spaß gehabt haben, so gerne stellte er sich auf die Pedale. Was aus dem vermeintlichen Bruch zwischen "Parklife" und "The great escape" auf der einen und "Blur" sowie "13" auf der anderen Seite die logische Weiterentwicklung macht, die er in Wahrheit war. Deswegen kann "Tender" jede Sekunde der beinahe zehn Minuten sein imposantes Hymnentum dermaßen auskosten, dass Albarn den Chor der Zehntausenden für das nächste Lied erst mal ausbremsen muss. Und das wunderbare "Beetlebum" war ohnehin immer schon von den experimentierfreudigen Beatles beseelt.
Am 2. Juli freute sich Albarn über den schönen Mond und forderte die vielen Menschen zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf. Am Tag darauf fasste sich die Band eine knappe Minute kürzer, was keineswegs daran lag, dass sie es eilig hatten, wieder von der Bühne zu kommen. Blur und ihre zahlreichen Fans stachelten sich an beiden Tagen gegenseitig mit Feierlaune an. Und weil das Verhältnis der Londoner zu ihner Band so innig ist, bedankten sich Blur mit Hymnen wie "Country house", "End of the century" oder "This is a low". Da leuchtet noch jedes Feuerzeug vor Sentiment auf. In Glastonbury brach Albarn bei "To the end" sogar weinend zusammen. Doch solche Gefühligkeit ist keine Pose, denn die massenhafte Bestätigung nach all den Jahren kann überwältigen. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft haben sich Blur jedoch immer schon dazugedacht. Britischsein verpflichtet. Auch wenn Bassist Alex James daran zweifelt, dass die Band den Hyde Park damals schon hätte ausverkaufen können, wusste das abschließende "The universal" immer schon Bescheid: "Well, it really, really, really could happen." Wie alte Freunde, die wieder zusammenfinden.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Girls and boys
- Beetlebum
- Coffee and TV
- Tender
- For tomorrow
Tracklist
- CD 1
- She's so high
- Girls and boys
- Tracy Jacks
- There's no other way
- Jubilee
- Bad head
- Beetlebum
- Out of time
- Trimm trabb
- Coffee and TV
- Tender
- CD 2
- Country house
- Oily water
- Chemical world
- Sunday Sunday
- Parklife
- End of a century
- To the end
- This is a low
- Popscene
- Advert
- Song 2
- Death of a party
- For tomorrow
- The universal
Referenzen
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