
Brian Setzer Orchestra - Songs from Lonely Avenue
Surfdog / Neo / SonyVÖ: 16.10.2009
Vom Chefarzt empfohlen
Zugegeben, Farin Urlaub eilt nicht gerade der Ruf einer unfehlbaren musikalischen Instanz voraus, deren Urteil man nicht widersprechen kann. Aber auch der blonde Dauergrinser und Berufsjugendliche hat Zitate auf Lager, denen selbst die musikalische Geschmackspolizei nicht ans Bein pinkeln kann. Zum Beispiel dieses hier: "Ich jedenfalls erkenne einen guten Gitarristen unfehlbar daran, daß er mit Vornamen Brian und mit Nachnamen Setzer heißt." So geäußert in der FAQ-Abteilung auf seiner persönlichen Homepage. Diesem Urteil bedingungslos zuzustimmen, fällt nun wirklich nicht schwer, hat doch der mittlerweile fünfzigjährige Amerikaner nicht nur als Anführer der Stray Cats, sondern seit Mitte der 90er Jahre auch als Leader seiner eigenen Big Band eindrucksvoll gezeigt, was man der verzerrten Rock'n'Roll-Gitarre so alles für Töne entlocken kann.
Dass das neue, mittlerweile achte Studioalbum des Brian Setzer Orchestra vorab als Setzers "most ambitious project to date" angekündigt wurde, hat einen guten Grund. Schließlich hat der Meister diesmal erstmals selbst sämtliche Songs verfasst, stolze 13 an der Zahl, davon drei Instrumentalstücke. Mit Hilfe des legendären, mittlerweile 87jährigen Komponisten Frank Comstock hat Setzer seinen Liedern zudem Bläserarrangements verpasst, die diesen eine Färbung der Musik aus Comstocks Jugend geben. Über dem gesamten Album schwebt eine düstere, schwermütige Atmosphäre, die direkt aus einem Film Noir der 1940er stammen könnte. Vor dem geistigen Auge erscheinen dunkle Hinterhöfe verrauchter Kneipen und schlecht beleuchtete Straßen im kalten Nieselregen einer düsteren Herbstnacht in New York. Songtitel wie "Kiss me deadly", "Lonely Avenue", "Love partners in crime" und "Passion of the night" verraten außerdem schon, worum es textlich geht. Casablanca lässt grüßen.
Setzer wäre aber natürlich nicht Setzer, würde er nicht zwischen all den melancholischen Augenblicken auch stimmungsvolle Rockabillysprenkler einstreuen. So richtet sich der pfiffige Mann/Frau-Schlagabtausch "Gimme some rhythm daddy" an seiner eigenen Energie zu gewaltiger Größe auf, und die beiden aufeinander folgenden Instrumentals "Mr. Jazzer goes surfin'" und "Mr. Surfer goes jazzin'" zwingen auch den müdesten Griesgram dazu, sein Tanzbein zu schütteln. Für die thematische Kohärenz des Albums sind diese Ausbrüche nicht ideal, allerdings erweist sich ohnehin nicht das komplette übrige Songmaterial als hochwertig. Vor allem in der zweiten Hälfte verliert "Songs from Lonely Avenue" deutlich an Dampf, weil sich das Zeitreise-Konzept schnell abnutzt. Auch wenn mit dem stampfenden Bluesrock "Dimes in the jar" gegen Ende noch mal ein Ausrufezeichen kommt - "Songs from lonely avenue" zählt insgesamt zwar vielleicht zu Setzers interessantesten, nicht jedoch zu seinen besten Platten. Wer sich aber nur vergewissern will, dass Setzer an der Gitarre nach wie vor alle anderen in die Tasche steckt, macht auch mit seinem neuen Album garantiert nichts falsch. Ein Pflichtkauf also auch für Farin Urlaub.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Mr. Jazzer goes surfin'
- Dimes in the jar
Tracklist
- Trouble train
- Dead man incorporated
- Kiss me deadly
- Gimme some rhythm daddy
- Lonely Avenue
- King of the whole damn world
- Mr. Jazzer goes surfin'
- Mr. Surfer goes jazzin'
- My baby don't love me blues
- Love partners in crime
- Passion of the night
- Dimes in the jar
- Elena
Referenzen