Ingrid Michaelson - Everybody

Vertigo / Universal
VÖ: 18.09.2009
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Tatsächlich ... Liebe

Schlimmer kann es kaum werden. Da kommt man von einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause und lässt den Tag Revue passieren: Der Chef war heute nicht einfach nur schlecht gelaunt, sondern eine tickende Zeitbombe, die pünktlich zur Mittagspause explodierte. Die Geschäftspartner am Telefon ließen sich nicht durch die üblichen Floskeln abwürgen, sondern wollten stundenlang weiterdiskutieren. Und die Arbeitskollegin am Schreibtisch links, ohnehin eher eine unangenehme Person, musste gar nicht viel über das Knoblauch-Steak vom Abend zuvor erzählen, da dessen Duft sich ohnehin im Büro wie ein Giftgas ausbreitete. Und wenn man dann endlich auf der heimischen Couch sitzt, kann einem der Nachrichtensprecher auch keine guten Neuigkeiten erzählen. Erdbeben, Entführungen, Erstwählercheck, ein Thema grausiger als das andere. Da kommt einem das neue Album von Ingrid Michaelson gerade recht. Da gibt es keine bösen Themen. Auf "Everybody" geht es um die Liebe. Denn, so die logische Schlussfolgerung der Sängerin, jeder Mensch will geliebt werden. Und Punkt.

Das singt sie schon im Titelstück. Was für die Beatles "All you need is love" war, ist für Michaelson nun "Everybody". Der Mitklatscheffekt und die vielen "Oh oh oh"s zeigen sich ähnlich massentauglich wie der besagte Klassiker, und rein musikalisch lässt sich die Gute auch kein X für ein U vormachen. Da jagt eine grandiose Melodie die nächste, wie etwa auf "Are we there yet", das mit akustischer Gitarre, Streichern und Michaelsons außergewöhnlich angenehmer Stimme zu überzeugen weiß. Die Streicher kommen öfter zum Einsatz als auf dem Vorgänger "Girls & boys", und die poppigen Melodien wurden etwas zurückgestellt. Der Qualität tut dies keinen Abbruch, wie auch "Incredible love" beweist. Drückend und düster setzt sich das Liebeslied der anderen Art in den Gehörgängen fest, während die New Yorkerin, offensichtlich keine realitätsfremde Rosa-Wölkchen-Surferin, auch einmal von den unerwiderten Schattenseiten der Liebe singt.

Berichten zufolge stand "Once was love" Pate für den Rest des Albums, war der Song, nach dem sich die anderen richten sollten. Um der Abwechslung Willen und dem Himmel sei Dank ist dieses Unterfangen gescheitert, obwohl dem Hörer das Auf und Ab im Gesang weniger aufs Ohr schlagen dürfte als sämtliche Songs vom letzten Leona-Lewis-Album. "Men of snow" überrascht mit Piano und einer Zirkuskuppel-Melodie, während die Streicher am Ende den perfekten Abgang bescheren. Ganz zum Schluss wird es auf "Maybe" doch noch etwas poppiger, der Ex wird freundlichst gebeten, vielleicht doch noch auf die rechte Seite des Bettes zurückzukommen, und die knapp 30jährige legt sich ein letztes Mal so richtig ins Zeug. Davon hätten sich andere ruhig eine Scheibe abschneiden können. Ein Liebesalbum - gut, das klingt kitschig, und das hätte mehr als einfach nur in die Hose gehen können. Aber mit "Everybody" ist Michaelson ein geradezu liebliches Experiment geglückt, an das man gar nicht mehr glauben dürfte, wenn man sich die derzeitigen Nachrichten anschaut - und vielleicht ist genau das sogar der Grund dafür.

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Soldier
  • Are we there yet
  • Incredible love
  • Locked up

Tracklist

  1. Soldier
  2. Everybody
  3. Are we there yet
  4. Sort of
  5. Incredible love
  6. The chain
  7. Mountain and the sea
  8. Men of snow
  9. So long
  10. Once was love
  11. Locked up
  12. Maybe
Gesamtspielzeit: 43:23 min

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Leatherface

2009-08-25 20:14:03

Tolles Folk-Pop-Album. Ein großer Schritt vorwärts für Ingrid, deren Debüt "Girls & Boys" mich nicht auf voller Länge überzeugen konnte (besonders dank Überproduktion, die ihre tolle Stimme zu sehr mit in den Vordergrund gemischten E-Gitarren und Bässen einengte), während auf der Quasi-B-Seiten-Sammlung "Be Ok" schon einige (deutlich reduziertere) Perlen im Geiste Regina Spektors zu finden waren. "Everybody" ist nun durchgehend super; filigran und klug instrumentiert, hervorragend gesungen, getextet und produziert, eingängig, aber nie plump. Besonders die Balladen haben es mir angetan, "Sort of", "The Chain", "Are We There Yet?", "So Long" und "Men of Snow".

Zur Zeit komplett auf ihrer MySpace-Seite gestreamt. Ab 18. September in Deutschland zu kaufen, seit heute als Import, wer nicht warten möchte.

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