The xx - The xx
Young Turks / XL / Beggars / IndigoVÖ: 14.08.2009
Kristallklare Nacht
Kunst heißt Weglassen, um einmal ein berühmtes Max-Liebermann-Zitat abzuwandeln. Das gilt in unserer Popkultur nur bedingt: Allzu gerne wird mangelndes Können hier mit Massen an Effekten zugedeckt. Das erscheint aus kommerziellen Gesichtspunkten auch deswegen sinnvoll, weil so etwas in der schnellen Medienwelt eben mehr Aufmerksamkeit erzielt als reduktionistische Ruhepunkte. Wer aber die Kunst des Weglassens beherrscht, unterschlägt lediglich das, was für den Kern der Sache ohnehin nicht wesentlich ist. Wofür man diesen Kern aber klar vor Augen haben muss.
The xx scheinen in der Tat sehr klar vor sich zu sehen, wo sie hinwollen. Das Debutalbum der vier Londoner ist ein Mikrokosmos des Privaten, in dem alles entrückt aus der Ferne betrachtet wird. Kristallklar stehen Gitarrentöne wie einsame Sterne am Himmel, mal dämmert ein Basslauf in den Vordergrund und der minimalistische Keyboardeinsatz kommt einem vor wie der Andromedanebel. Wie auf einem ruhigen und langsamen Fluss treiben The xx samt der Stimmen von Oliver Sim und Romy Madley Croft auf ihrer Soundwelt umher. Da gibt es nicht mehr viel, was man weglassen könnte: manchmal nur eine einsam geschlagene Gitarrensaite und ein bisschen zurückhaltender Gesang.
Das Quartett wirkt dabei, als hätte es seine Depressionen aus den frühen Achtzigern auf wundersame Weise ins Jetzt projiziert - auch wenn zu dieser Zeit höchstens ihre Mütter depressiv waren. Anders gesagt ist dieses Album ein einziger musikgewordener Beweis, dass man kein alter Sack werden muss, um verzweifelt zu klingen. Dass man The xx andichtet, Krisenmusik zu produzieren, passt vor allem deswegen so gut, weil die Krise schon mitten in der Tür steht. Da ist die musikalische Personifizierung der Flucht ins Private angesichts der bösen Welt da draußen dann eben auch wieder attraktiv.
Für den Hörer mitunter ein zweischneidiges Schwert, denn das alles ist nicht nur schön, atmosphärisch und ein bisschen geheimnisvoll, sondern auch schön kühl. Wie das nächtliche Sternenbild, das man einerseits bewundert, bei dem es einen aber auch fröstelt. Auch wenn Sim und Croft gelegentlich in eine Art Dialog treten, ist man froh, wenn wie etwa in "Crystalised" der Takt erhöht wird, so dass das bisschen Leben nicht völlig erstarrt. Die Zeile "If you want me, let me know" aus "Stars" klingt dann auch nicht zart romantisch, sondern wie eine Aufforderung, per Twitter Kontakt aufzunehmen - Romantik in Zeiten des Finanzcrashs. Das hat sich selbst im Kosmos von heute noch nicht geändert: Auch die schönsten Sterne ziehen ihre Bahnen einsam.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Crystalised
- Islands
- Stars
Tracklist
- Intro
- VCR
- Crystalised
- Islands
- Heart skipped a beat
- Fantasy
- Shelter
- Basic space
- Infinity
- Night time
- Stars
Referenzen
Spotify
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