Mouth - Rhizome

bluNoise / Al!ve
VÖ: 21.08.2009
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

When we were queens

Zu den verblichenen Shudder To Think mutmaßte die Spex einst, dass sie das Potential besäßen, ein an sich schon himmelstürmendes Unternehmen wie Queen auf die nächste Ebene zu hieven. Bekanntlich wurde da mal rein gar nichts draus, und es war auch recht waghalsig gedacht. Ein frommer Wunsch und doch irgendwie logisch: Denn Shudder To Think standen für eine alternative Art des Crossover. Sie spielten Musik, die aus dem Hardcore geboren wurde und dennoch weder vor Falsett noch vor Prog noch vor den großen Windmaschinenriffs zurückschreckte. Dann kam Raprock um die Ecke, und plötzlich wurde alles gnadenlos zu Boden gestampft. Was ja auch ganz schön war, so für zwischendurch. Für ein Dinner mit der Queen reichte es freilich nicht. Eher schon fürs Obelix-Gelage im Harlekinkostüm.

Die drei Kölner Kreuzgewächse Mouth nehmen mit ihrem Debüt "Rhizome" den verlorenen Strang wieder auf - behalten dabei aber die Vergangenheit letztlich nur im Silberblick. Christian Koller kann es mit Craig Wedrens Falsett zu jeder Sekunde aufnehmen. Allerdings versieht er es auch mit einem Druck, der einem Mike Patton endlich wieder sämtliche Effektgeräte aus den Lungenflügeln reißt. Und auch musikalisch haben Mouth keine Zeit für Sperenzchen. Der Funk der frühen Neunziger ist zwar allgegenwärtig, wird jedoch durch trippig-krautige Passagen und noisige Ausbrüche vor sich selbst hergetrieben.

Die Effekte auf Kollers Gitarre erfüllen dabei stets ihren Zweck im Songaufbau. "Requiem", "Medusa" oder der Titelsong spielen ganze Atommeiler leer, interessieren sich aber nicht fürs Mars-Volta-Halligalli. Fuzz, Flanger, Vibrato und Delay werden vielmehr tight und rhythmisch eingesetzt und finden Betonungen, die einzelne Songteile verschieben, beschleunigen oder ausbremsen. So zimmern Mouth ein Wand aus Dynamik in die ohnehin beinahe geschmäcklerisch ausbalancierte Produktion: Schubkraft - so heißt nach wie vor die Prämisse eines Guido Lucas. Auch auf "Rhizome" drückt alles mächtig und ausschließlich von hinten. Selbst "Hiding", das sich seine kurzen Wahwah-Takte zunächst nur mit einer Casio-Melodie teilt, geht im Beat eindeutig nach vorne. Und das hervorragende "The quest of m." strickt sich ein Musical, in dem ein stechschreitender Freddie Mercury an den Stimmbänder von Les Claypool über die Bühne marionettiert.

Kollers Texte fabulieren dazu eine ganze Zukunftsvision zwischen Kubrick, Pynchon und Kafka. Und so richtig mit Prolog, Klimax und Kopfhänger-Finale. Angeblich. Der Hörer bekommt nicht wirklich etwas davon mit. Auch das titelgebende Rhizom steckt seine Knollennase zwar durchs Booklet, aber nicht allzu tief in die Musik. Als wurzellos oder gar entwurzelt mag man die nämlich so gar nicht bezeichnen. Alle Koordinaten sind glasklar, verankern sich tief im Boden und werden alles in allem hierarchisch umgesetzt. Bestenfalls zeigt sich "Rhizome" getrieben. Das aber reicht allemal auch aus. Schließlich macht nicht jeder Lucas gleich einen George. Und nicht jeder Knick in der Pupille huldigt einer Königin.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Requiem
  • Hiding
  • Rhizome
  • The quest of m.

Tracklist

  1. Cascade Inc.
  2. Requiem
  3. Same again
  4. Hiding
  5. Mute control
  6. Interlude
  7. The balance
  8. Uniformed
  9. Medusa
  10. Peng*
  11. The quest of m.
  12. Gates
  13. Defected white
Gesamtspielzeit: 44:31 min

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