Clark - Totems flare

Warp / Rough Trade
VÖ: 10.07.2009
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Posthuman

Auch wenn es seinem fünften Longplayer nicht unbedingt anzuhören ist, bestehen Chris Clark und sein Label Warp Records darauf - der musikalische Grundstock auf "Totems flare" soll auf organischen Instrumenten beruhen, auf Piano, Gitarre und Schlagzeug. Nachdem Clark das Ganze einmal durch den Computer gejagt hat, bleibt davon nur nicht mehr viel übrig. Die Grenzen sind durch das Programming komplett verwischt. Wer kann schon sagen, ob das da grad eine Gitarre war oder eben doch eine aufs Unkenntlichste zerschredderte Pianomelodie? Nichts ist gewiss auf "Totems flare". Außer der Tatsache, dass Clark eine neue Generation des minimalen Avantgarde-Elektro geschaffen hat, die als postapokalyptischer Soundtrack hervorragend funktioniert. So muss sich die Zukunft nach dem atomaren Gau und dem Ende der Menschheit anhören.

Alles summt und sirrt, krächzt und schwirrt. Die Maschinen arbeiten auf Hochtouren und kotzen immerfort neue Ächzer und Geräusche aus. Die hyperaktiven, komplex verschachtelten Beats surren über schwerfällig verwischte Soundlandschaften. Alles ist in Bewegung, ist geschäftig. Keine Zeit zum Innehalten. Clark dekonstruiert seinen Elektro bis auf die Einzelteile und fügt ihn - so scheint es - lockerleicht wieder zusammen. Die Tracks sind größtenteils ungreifbare, im Raum schwebende, kleine Abenteuer, die zu keinem Zeitpunkt eine Idee darüber zulassen, wohin sie den Hörer letztendlich führen. Der Opener "Outside plume" eröffnet mit einem Pianogeplänkel und lässt die Beats nach und nach aggressiver und umtriebiger werden, verfällt aber nach zwei Minuten in eine angenehme Melodie, die von neuen Beats auf tanzbar getrimmt wird. Und just, wenn man meint, das Tanzbein schwingen zu können, ist der Spaß auch wieder vorbei, und "Outside plume" geht nahtlos in den düsteren Midtempotrack "Growls garden" über. Dessen Bässe und Beats allerdings auch nach kurzer Zeit wieder Fahrt aufnehmen.

So ist das mit "Totems flare" auf Albumlänge. Clark spielt mit den Erwartungen, baut Spannung auf und bricht mit der Erwartungshaltung, indem er einfach alles wieder kurz und klein schlägt. Dass dabei trotzdem ein Album wie aus einem Guss entstanden ist, ist Clarks großes Verdienst. "Totems flare" wirkt nicht wie ein unmotiviert zusammengebastelter Haufen Soundmüll. Clark hat eine Vision, die manchmal sogar den Pop nicht ausschließt. The Prodigy wären froh, wenn sie überhaupt noch einmal in die Nähe eines Tracks wie "Rainbow voodoo" kämen. Die mysteriöse Melodie ist dermaßen im Einklang mit sich selbst und den hochtourigen Beats und Spielereien, dass das Zucken in den Beinen beim besten Willen nicht zu vermeiden ist. Zu allem gesellt sich noch Clarks verfremdete, wie aus einer anderen Welt wirkende Stimme, die seit seit der Auslöschung der Menschheit im Jahr 2132 sicherlich kein Herz mehr gesehen oder gefühlt hat. "Totems flare" ist der Sound der Zukunft, so bitter das für das Erdenleben auch sein mag.

(Kai Wehmeier)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Growls garden
  • Rainbow voodoo
  • Totem crackerjack

Tracklist

  1. Outside plume
  2. Growls garden
  3. Rainbow voodoo
  4. Look into the heart now
  5. Luxman furs
  6. Totem crackerjack
  7. Future Daniel
  8. Primary balloon landing
  9. Talis
  10. Suns of temper
  11. Absence
Gesamtspielzeit: 45:02 min

Im Forum kommentieren

Kiezgrün

2023-05-29 09:49:55

Das neue Album klingt leider so, als wäre in den vergangenen 15 Jahren nichts in der Musikwelt passiert. Der Sound ist zudem nicht gut gealtert.

ichreitepferd

2023-05-26 20:12:55

neues Album Sus Dog heute erschienen, holy was ein Brett, der Einfluss von Thom Yorke gefällt und dazu auch auf einem Track drauf?

Wo Rezi?

Lepra

2012-03-28 22:35:42

CLARK ist der Grösste und die Neue das Album des Jahres!

SCB

2012-03-12 22:27:51

"jazzigen" nicht "kauzigen" Gesang wollte ich schreiben

SCB

2012-03-12 16:54:15

Gibt es eine spezielle Bezeichnung für den kauzigen Gesang, welcher auf dem neuen Album teilweise verwendet wird, der Ende 60er/Anfang 70er häufig zu hören war und schon fast Easy Listening war?

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