
Tiny Vipers - Life on Earth
Sub Pop / CargoVÖ: 10.07.2009
Alles muss raus
Mit ihrem Debütalbum "Hands across the void" platzierte sich Jesy Fortino alias Tiny Vipers anno 2007 ganz oben auf den Listen der verschrobensten Musikerinnen, Joanna Newsom dicht auf den Fersen. "Life on Earth" macht nun da weiter, wo "Hands across the void" aufhörte. Fortino wirkt nicht mehr ganz so in sich gekehrt wie vor zwei Jahren. Die Färbung der Songs wechselt auf "Life on Earth" ganz sachte von Schwarz zu tiefstem Blau. Man muss sich das ungefähr so vorstellen: Fortino sitzt einsam mit ihrer Gitarre vor dem Mikro, die manchmal gedoppelte Stimme auf Hall. Das war es auch schon, und zwar mitunter auf über 10 Minuten. Doch oft ist in einer musikalischen Reduktion eine emotionale Tiefe versteckt, die selbst die größten Produktionen der Welt nicht herauskitzeln könnten. So funktioniert Jesy Fortino, und so funktionert sie ausgesprochen gut.
Allerdings stirbt "Life on Earth" auch ein wenig in Schönheit, weil die durchgängig einheitlich reduzierte Produktion, der homogene Sound und Gesang sowie die fortwährend gedrosselte Geschwindigkeit kaum Raum für Variationen lassen. Einzeln betrachtet ist jeder der Songs auf Fortinos zweitem Longplayer ein wunderschönes, trauriges und beklemmendes Kleinod. Am Stück gehört ist "Life on Earth" aber schwerer verdaulich als die Mykonos-Platte beim Griechen unten am Eck. Es ist nicht anders zu beschreiben: Im Grunde klingt jedes der textlastigen Stücke auffällig ähnlich. Zugegeben, Fortino hat gelernt, mit elektronischem Krimskrams umzugehen. Ganz sachte, kaum auffällig, brummt und summt es zum Ende von "Time takes" und zu Beginn von "Young god", ohne dass die wundervolle Fragilität der Songs aus den Angeln gehoben wird. Die Tristesse in "Development" und "Tiger mountain" wird kurzzeitig durch ein untröstliches Pfeifen unterbrochen, das allerdings doch nur wieder die nächste Einsamkeit herbeiflötet. Beides ist gelungen, verleiht "Life on Earth" jedoch keine grundlegend neuen Facetten.
Fortino verliert sich permanent in hypnotischen Erinnerungen an eine gebrochene Vergangenheit und spült den Schmerz ohne Unterlasss nach draußen. Verflossene, Bekannte und Weggefährten finden sich in den, mit einem Trauermantel umschlungenen, krypisch-mystischen Songs. Trotz allen Gleichklangs hat es sich "Life on Earth" aber verdient, dass auf die rar gesäten Zwischentöne, die anspruchsvoll gestreuten Feinheiten, die Geschichten hinter der dünn instrumentierten Sounddecke gelauscht wird. Das Album verlangt viel vom Hörer, in erster Linie Geduld und eine große Hingabe an die Schwermut. Wer diese aufbringt, wird mit intensivem, brüchigem Minimal-Folk belohnt. Das mit einer unwiderstechlichen Melodie ausgestattete "Dreamer" bringt es auf den Punkt: "I'm going to live / But I'm living far away / I'm going to die / I'm dying for a way out." Ein trauernde Seele, die sich an sich selbst veräußert.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Development
- Dreamer
Tracklist
- Eyes like ours
- Development
- Slow motion
- Dreamer
- Time takes
- Young god
- Life on earth
- CM
- Tiger mountain
- Twilight property
- Outside
Referenzen
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