Nouvelle Vague - 3

Peacefrog / PIAS / Rough Trade
VÖ: 03.07.2009
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Zurück zum Kokon

Nouvelle Vague hatten es noch nie leicht. New-Wave-Klassiker mit Easy Listening und Bossa Nova zu kreuzen und unter dem Deckmantel sakrosankten cineastischen Kulturgutes zu verkaufen - da hörte für viele der Spaß auf. Schnell war die Rede von französelndem Chichi, Karaoke von Kulturblutsaugern und einem Fall fürs Musikverbrecher-Tribunal, und wenn man daran etwas ablesen konnte, dann höchstens: Subtiler Humor ist ebensowenig jedermanns Sache wie musikalische Toleranz. Beirren lassen sich Marc Collin und Olivier Libaux nebst ihrer vielköpfigen Sängerinnenschar davon freilich nicht. Konnte man das Debüt "Nouvelle Vague" noch als charmante Bizarrerie auffassen, zeigte spätestens der Zweitling "Bande à part": Nouvelle Vague ist es mit ihrem launigen Abstraktions-Kokon genauso ernst wie etwa Mike Flowers mit seinem minutiös durchinszenierten Lounge-Pop oder Alexander Marcus mit seinem schwarz-rosa-goldenen Electrolore-Trash. Auch wenn einige einwenden werden, dass ein Witz nicht dadurch besser wird, dass man ihn zum dritten Mal erzählt.

Doch das tun Nouvelle Vague auf "3" eben nicht, sondern arbeiten stattdessen konsequent an der Dekonstruktion des New Wave mit stilfremden Mitteln weiter, indem sie neue musikalische Nebenschauplätze aufmachen und so eine drohende Limitiertheit im Sound umgehen. Mit laszivem Bar-Jazz und Bluegrass-Elementen, Flamenco-Fetzen und Alternative Country in Zeitlupe. Und nicht zuletzt einigen namhaften Gastsängern, denen es offensichtlich Spaß bereitet, den zurechtgerückten Fassungen der eigenen Songs zumindest ein wenig originales Flair zu verleihen. Martin Gore zum Beispiel, der als Background-Rufer in der Synthi-Wüste fungiert, während "Master and servant" zum akustisch kokelnden Calexico-Ding korrigiert wird. Oder Ex-Magazine-Bassist Barry Adamson, dessen tiefergelegtes Geschmachte sich auf "Parade" ausgezeichnet mit Nadeah Mirandas jenseitiger Stimme verträgt. Und auch Ian McCulloch, Terry Hall und Samy Birnbach von Minimal Compact haben etwas zum Thema zu sagen. Da interessiert es herzlich wenig, ob die Sängerinnen die Originale bei den Aufnahmen tatsächlich nicht kannten oder ob es sich dabei nur um eine medienwirksame Mär handelt.

Nichtsdestotrotz ist es ein diebisches Vergnügen, wenn Melanie Pain desorientiert die Betonung von "Master and servant" in den Sand setzt oder Eloisia den Text zu "Blister in the sun" völlig versaubeutelt. Andererseits ist Plastic Bertrands "Ça plane pour moi" wohl der bisher originalgetreueste Nouvelle-Vague-Song, den auch The 5-6-7-8s im Haus der Blauen Blätter hätten spielen können - mit dem Unterschied, dass mittendrin nicht Uma Thurman, sondern ein Dub-Reggae-Soundsystem vor der Tür steht. Dass Sophie Delila die immer noch herzzerreißende Ballade "Say hello wave goodbye" so ergreifend intoniert wie hier, kann im Grunde nur heißen, dass die Frau ein gesangliches Genie ist - oder doch heimlich Soft Cell gehört hat.

Ganz hartes Brot ist schließlich der skelettierte Police-Hit "So lonely", der mit Toilettengeräuschen hantiert und sogar Nadeah Miranda auf dem letzten Loch pfeifen lässt. Ein Glück, dass man zu diesem Zeitpunkt bereits gedanklich in einer rosa umwölkten Bar mit schweren Cocktails sitzt, wo die Kellnerinnen beim Servieren "No future for me" oder auf Wunsch sicher auch "Too drunk to fuck" säuseln. Und jedem, der fragt, was das eigentlich soll, zuckersüß "Unterhaltung!" ins Ohr hauchen. Was man ihnen aufs Wort glaubt. Und eine Stunde lang ist die Beton-Ära plötzlich wieder ein sanftes Ruhekissen. Es kommt eben darauf an, was man daraus macht.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Master and servant
  • Blister in the sun
  • Parade
  • Say hello wave goodbye

Tracklist

  1. Master and servant (feat. Martin Gore)
  2. Blister in the sun
  3. Road to nowhere
  4. All my colours (feat. Ian McCulloch)
  5. The American
  6. Heaven
  7. Parade (feat. Barry Adamson)
  8. Metal
  9. Ça plane pour moi
  10. Our lips are sealed (feat. Terry Hall)
  11. God save the queen
  12. Say hello wave goodbye
  13. So lonely
  14. Not knowing (feat. Samy Birnbach)
  15. Aussi belle qu'une balle
  16. Such a shame
Gesamtspielzeit: 58:24 min

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