Ben Folds - Rockin' the suburbs
Epic / SonyVÖ: 17.09.2001
Einmal um den Block
"Stop the bus / I wanna be lonely" - mit diesen Worten begann 1995 das selbstbetitelte Debüt der Ben Folds Five. Selbiges muß sich auch ihr Chef Ben Folds gedacht haben, als er das Trio im Oktober 2000 auflöste. Die Reaktionen auf das Ende einer der außergewöhnlichsten Bands der Neunziger - Wer sonst spielte gänzlich gitarrenlose Rockmusik? - waren aber noch nicht verhallt, da kündigte Folds bereits ein Soloalbum an. Die Fans warteten gespannt auf neues Liedgut und rätseln, wie dieses, schlicht "Rockin' the suburbs" bezeichnet, wohl klingen möge. Ob auch die ominöse Annie, von deren Warten die ersten Worte dieses Albums berichten, genau darauf wartet, bleibt allerdings ungewiß.
Der Scheibe hört man jedenfalls mitunter an, daß es sich nicht mehr um eine dynamische Band mit drei kreativen, sondern nur noch um einem einzelnen, dafür umso stureren Kopf handelt. Doch bereits der Opener macht eines klar: Ben Folds alleine klingt eigentlich nicht viel anders als Ben Folds Five, auch wenn er im Studio bis auf die Streicher selber an alle Instrumente seine Hand anlegte. So erahnt man vereinzelt Gitarren ("Still fighting it"), aber nur der Titeltrack "Rockin' the suburbs" lehnt sich weit aus dem Fenster. Mit aufheulenden E-Gitarren und käsigen Keyboards macht sich Folds über die neue amerikanische Rockszene und ihre Kappenträger lustig: "You don't know what it's like / Being male, middle class and white" singt er da und führt Stücke wie Papa Roachs "Broken home" ad absurdum. Wenn er dann noch mit loslegt "I'm rocking the suburbs / Just like Michael Jackson did / I'm rocking the suburbs / Except that he was talented" und den Titeltrack in einem anscheinend bei Rage Against The Machine entlehnten Baßsolo enden läßt, weiß man, daß der Mann seinen Humor behalten hat.
In "Still fighting it" wendet sich der Vater von Zwillingen in bester Cat Stevens-Manier an seinen Sohn, um ihn über die Schrulligkeiten des Lebens aufzuklären. "Good morning, son / I am a bird / Wearing a brown polyester shirt" singt er zärtlich. Später bezeichnet er sich als "The luckiest" und widmet seiner Frau Frally sein erstes richtiges Liebeslied. Dabei vollbringt er das Kunststück, Zeilen wie "I love you more than I have ever found a way to say to you" zu singen, ohne auch nur im entferntesten kitschig zu klingen.
Mit den meisten seiner Songs jedoch schleicht sich Folds in bekannter Weise in die Lebensgeschichten unbekannter Leute. Was die Beatles mit "Eleanor Rigby" begannen, hat Folds zu einem fast eigenständigen Musikstil entwickelt: der Popbiographie. Bei seiner Erzählreise durch den Standrand macht er an jeder Ecke Halt und trifft dort schillernde Durchschnittstypen, wie sie im Buche stehen. Zuvorkommend wie Folds so ist, schenkt er ihnen allen einen eigenen Song: Cathy, die über ihr viel zu kurzes Leben klagt, Zak und Sara, die sich mit Beziehungsproblemen herumschlagen, und auch einem gewissen Fred Jones, dessen Pensionierung außer Folds und seinen Duett-Partner, Cake-Sänger John McCrea, niemanden wirklich zu interessieren scheint.
Ohne auf der Suche nach dem perfekten Popsong zu sein, kommt Folds bei seinen Ausflügen ins Leben anderer oft genug versehentlich in dessen Nähe. Dabei hinterläßt er Songs, die es einem Psychoanalytiker einfach machen müßten, seine Seele zu ergründen: etwas melancholisch, aber nie hoffnungslos. Ein wenig traurig, aber meist schreiend komisch. Folds hat schon mehrfach bewiesen, daß er nicht so einfach zu durchschauen ist und spannt sein Publikum stets aufs Neue auf die Folter. Es bleibt abzuwarten, was er als nächstes vorhat. Im Moment kurvt er erst mal rockend durch die Vorstädte und scheint sich dabei glänzend zu amüsieren. Next exit Stadion?
Zum Ben Folds-Interview-Special
Highlights & Tracklist
Highlights
- Still fighting it
- Fred Jones part 2
- Rockin' the suburbs
- The luckiest
Tracklist
- Annie waits
- Zak and Sara
- Still fighting it
- Gone
- Fred Jones part 2
- The ascent of Stan
- Losing Lisa
- Carrying Cathy
- Not the same
- Rockin' the suburbs
- Fired
- The luckiest
Referenzen
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