Stereolab - Sound-dust
Elektra / EastwestVÖ: 03.09.2001
Angestaubte Freundschaft
Die aufwendigen Recherchearbeiten im Vorfeld einer Plattenbesprechung beinhalten oftmals auch eine Begutachtung der bandeigenen Website. Im Falle von Stereolab steuerte der Rezensent zielsicher stereolab.com an - fälschlicherweise. Die Dotcom-Endung führt nach megafriends.com, wo mit maximaler Häßlichkeit in Orange-Purpur immer noch fröhlich Risikokapital verbrannt wird. Schnell weg da, denn falscher geht es kaum. Stereolab sind keine Megafriends und auch keine Superfreunde - allerhöchstens amis spéciaux vielleicht, und das auch schon ziemlich lange. Seit zehn Jahren kümmern sich nämlich verschiedenste Line-Ups rund um die Schlüsselköpfe Laetitia Sadier, Tim Gane und später auch Mary Hansen und Andy Ramsay um die immer respektvolle, oft aber auch mutige und humorvolle Krautrock-Nachlaßverwaltung mit Psychedelikpop- und Chanson-Einschlag. Mega oder super ist das alles nicht, aber im Idealfall subtil, subversiv und speziell.
Ein wichtiger Aspekt Stereolabs ist deren Internationalität. Neben dem geschmackvoll-charmanten Rückblick, immer haarscharf diesseits der verhängnisvollen Kitschgrenze, geht es bei Stereolab immer auch um die komplexen Verknüpfungen und Zusammenhängen zwischen Chicago, London und Paris, die auf unzähligen Platten, EPs und Singles herausgearbeitet und immer wieder neu ausgeleuchtet werden. Im Idealfall funktioniert das hervorragend ("Emperor tomato ketchup", 1996), doch die Diskographie hält auch Niederlagen bereit ("Cobra and phases group play voltage in the milky night", 1999). Auf "Sound-dust" entschied man sich für den Mittelweg zwischen dem ausufernden und gemächlichen Entwicklungssound von 1999 und dem kompakteren, stellenweise dunkleren und einfacheren Popentwurf von 1996. Das Ergebnis kann sich durchaus hören lassen, wenn auch der Kompromiß und die Durchschnittlichkeit etwas sehr penetrant durch die Platte pendeln und lauthals auf sich aufmerksam machen.
Konkret bietet das dicke Sound-Staub-Paket die gewohnt vertrackten, teilweise stark verzuckerten Melodien, aufwendig rund um verschachtelte Spannungsbögen und ausgefallen Rhythmen drapiert und von einem beeindruckenden Instrumentalspurenpark gestützt, genehmigt sich aber auch die nötige Zeit, um exzessiv aus- und abzuschweifen. In den einfallsreichsten Momenten führt das zu frischen, überraschenden und durchaus faszinierenden neuen Einsichten ins Stereolab'sche Klanguniversum, doch viel zu oft schliddert das Album gefährlich nahe am Abgrund zur unkonzentrierten Belanglosigkeit. Dieses Risiko des Scheiterns mag durchaus seinen Reiz haben, leider jedoch schafft es die Platte nicht, vernünftig damit umzugehen. Zurück bleibt ein unangenehmes Gefühl, weil man weiß, daß Stereolab, die amis spéciaux von früher, denen man lange Zeit vertraute, das eigentlich besser könnten, und man hofft und wünscht sich insgeheim, das sie irgendwann zur alten, hoffentlich frisch entstaubten Form zurückfinden.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Captain Easychord
- Nothing to do with me
Tracklist
- Black ants in sound-dust
- Space moth
- Captain Easychord
- Baby Lulu
- The black arts
- Hallucinex
- Double rocker
- Gus the mynah bird
- Naught more terrific than man
- Nothing to do with me
- Suggestion diabolique
- Les bons bons des raisons
Referenzen
Spotify
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