A Hawk And A Hacksaw - Délivrance

Leaf / Indigo
VÖ: 08.05.2009
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Um die Ecke

Folgendes Szenario: Jemand war Mitglied bei der besten, vielleicht sogar einflussreichsten Indierockband, die Amerika in den Neunzigern hatte, aber all das mit dem Einfluss und dem Gutsein haben die Leute erst zehn Jahre später gemerkt, nachdem der Songwriter dieser Band längst durchgedreht und zum Zypressenzüchten nach Bulgarien gezogen war. Was unserem Jemand also blieb, waren zwei Optionen: selbst durchdrehen oder eigene Band gründen. Jeremy Barnes natürlich hat sich für die dritte seiner zwei Optionen entschieden und beides getan. Der ehemalige Schlagzeuger und Multiinstrumentalist von Neutral Milk Hotel ist jetzt Schlagzeuger und Multiinstrumentalist bei A Hawk And A Hacksaw, und die Musik, die er dort spielt, lässt sich nur schwer beschreiben, ohne dass die Alarmglocken im Kleinhirn unseres Innenministers zu klingeln beginnen.

"Délivrance" ist Klezmer ohne die popmusikalischen Rettungsleinen, die etwa noch bei Beirut oder Devotchka hin und wieder ausgeworfen werden. Als weitgehendes Instrumentalalbum gruppiert es sich um die atemberaubende Violine von Heather Trost, Polka-informierte Quetschkommode und Percussion von Barnes und allerlei sonstiges Gebläse, Gefiedel und Gehämmer zwischen Cimbalom, Klavier und Trompete, das A Hawk And A Hacksaw auf Forschungsreisen durch Osteuropa mit lokalen Folkmusikern eingespielt haben. Wenn überhaupt mal jemand singt, dann klingt das wie in "Kertész": gepresst, wie aus Barnes herausgefoltert, während um ihn herum Tasten- und Saiteninstrumente zerlegt werden, als gäbe es kein Morgen mehr. Tut schon erst sehr weh in gut behüteten Ohren, ist aber jede Aspirin wert, die man zu "Délivrance" schlucken muss.

Wie im Jazz wird dabei beinahe jedes Instrument irgendwann von der Herde isoliert, viel Platz gemacht für Solos und Einwürfe, die gleich mit dem Opener "Foni tu argile" in die Vollen greifen. Ähnliches macht auch die Trompete in "Türkiye" - kein Song für den nächsten WM-Autokorso, aber mindestens die beste Mariachi-Einlage seit Lt. Frank Drebin, Det. Nordberg und Capt. Ed Hocken in "Die Nackte Kanone 2 ½" auf offener Bühne aufgetaucht sind. "The man who sold his beard" und "Vasilis carries a flaming skull through the forest" zeigen dann noch, wie gemein man zu einem Schlagzeug beziehungsweise einer Geige sein kann - es gibt da viel zu lernen von A Hawk And A Hacksaw, die ihren Osteuropa-Folk tatsächlich atmen und absorbieren, statt mit "Délivrance" zu reinen Musiktouristen zu verkommen. Wir hören uns dann nächstes Jahr in Asien.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Kertész
  • Turkiye
  • Vasilis carries a flaming skull throuh the forest

Tracklist

  1. Foni tu argile
  2. Kertész
  3. The man who sold his beard
  4. Hummingbirds
  5. Raggle taggle
  6. I am not a gambling man
  7. Turkiye
  8. Zibiciu
  9. Vasillis carries a flaming skull through the forest
  10. Lassú
Gesamtspielzeit: 37:39 min

Im Forum kommentieren

peppey paloma

2009-06-29 23:34:11

unkonventionell aus der sich eines mittleren plattentest.de-users, nicht aus sicht eines westrumänischen ziegenhirtens, der mitglied im örtlichen musikverein ist :)

logan

2009-06-29 23:29:55

Hm, traditionalistisch aber unkonventionell also. Ich mag ja das Paradoxe. Oft geben würde ich mir das wohl nicht, aber falls es das mal als Schnäppchen gibt... Klingt zumindest interessant.

peppey paloma

2009-06-29 23:06:51

du meinst die musikrichtung? die machen relativ abgefahrene, größtenteils temporeiche traditionalistische "balkan-musik" ohne erkennbaren popeinschlag, also nicht so wie bei beirut und konsorten. wer keine berührungsängste mit dem unkonventionellen hat, dem sei die band wärmstens zu empfehlen (v.a. live, was ich so gehört und gesehen habe (ich persönlich leider noch nicht live)).

logan

2009-06-29 22:59:15

Was machen die denn so? Meine mich zu erinnern, dass wer von Portishead die mal erwähnt hat.

peppey paloma

2009-06-29 19:05:36

die délivrance ist heute bei mir eingetroffen und hat sofort gezündet. könnte fast das bisher beste album von a hawk and a hacksaw sein. ich steh auf dieses hohe tempo in den liedern:)

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