
Fink (UK) - Sort of revolution
Ninja Tune / Rough TradeVÖ: 22.05.2009
Der Hungerkünstler
Wer schon einmal den Kampf mit Theodor Fontanes Romanwerk aufgenommen hat, weiß um die Bedeutung gähnender Langeweile. Man liest Seite um Seite, 100, 200, 300, und noch immer passiert rein gar nichts. Kurz davor, den Wälzer zu Konfetti zu verarbeiten, reift der Entschluss heran, noch einmal von vorne anzufangen und beim neuerlichen Lesen einfach nicht darauf zu warten, dass etwas passieren möge. Statt wie üblich auf Action, Spannung, Drama baby zu hoffen, wird nun die Aufmerksamkeit auf die Lücken zwischen dem wenigen gerichtet, das vor sich geht. Und kaum hat man die eigene Erwartungshaltung angepasst, bemerkt man plötzlich unglaubliche Details, Verknüpfungen und Texturen. Wie bei Fontane wartet auch bei den spartanisch instrumentierten Stücken von Fin Greenall vergeblich, wer auf Feuerwerke und Popcornkino aus ist. Eigentlich ist es nur Greenalls warme Stimme, die die Songs zusammenhält. Akustische Gitarre in Moll, etwas Bass, dezentes Schlagwerk, hier ein paar elektronische Effekte hingetupft, da ein paar Streicher oder einen Pianolauf darunter geschoben. Mehr Zutaten brauchte Fink schon auf den letzten beiden Alben nicht für seinen reduzierten Folk. "Sort of revolution" bildet da keine Ausnahme.
Dass ein guter Song auch ohne opulente Arrangements auskommt, zeigt schon der Titeltrack des neuen Albums. Als ob er neben der Box säße, hört man Greenalls Finger übers Griffbrett seiner Gitarre rutschen. Begleitet von einer leise pochenden Bassdrum und einem ultratiefen Bass baut er nach und nach Spannung auf, die sich spät in Dubeffekten löst, wodurch der Song eine wunderschöne Weite gewinnt. Auch im regnerischen "Move on me", auf dem ihm R’n’B-Star John Legend am Piano assistiert, wechselt Greenall gekonnt zwischen langsamem Zuschnüren und schlagartigem Loslassen. Generell ist das Wetter auf Fink-Platten eher schlecht und das Licht schummrig. Dass es nicht auch noch arschkalt ist, ist allein dem tiefen Bassbett und Greenalls sonor brummender Stimme zu verdanken, mit der er seinen Blues ins Kaminfeuer nuschelt. Selten bricht einmal ein Sonnenstrahl wie "If I had a million" ins Zimmer, in dem Greenall nur von seiner Gitarre begleitet darüber philosophiert, was er mit der berühmten Million anstellen würde.
Ein Manko von "Sort of revolution" ist jedoch, dass das Songmaterial zu wenig packend ist. Die Songs glitzern dank punktgenau eingesetzter Effekte wie ein Bergbächlein, aber sie plätschern auch oft genauso vor sich hin. Anstatt sich im Ohr festzusetzen, zerrinnen einem die Melodien zwischen den Fingern. Und was nutzt die schönste Atmosphäre, wenn man sich am Ende fühlt wie ein Alzheimerpatient, der nach dem letzten Ton schon nicht mehr weiß, was er da gerade gehört hat? Zwar gibt es auch Ausnahmen wie das beinahe a capella vorgetragene "Q & A" oder das mit Son Of Dave an der Mundharmonika aufgenommene "Pigtails". Immer wieder aber ertappt man sich dabei, wie man innerlich abzuschalten droht, auch weil Fink zu selten Kontrapunkte zur bestimmenden Melancholie setzt. "Zum Schluss stirbt ein Alter und zwei Junge heiraten sich; – das ist so ziemlich alles, was auf 500 Seiten geschieht", sagte Fontane über "Der Stechlin". Auch "Sort of revolution" lebt von seiner Unauffälligkeit, die nur für den sanft glitzert, der zweimal hinschaut. Wie Brigitte-Leser wissen, birgt derart strenge Klangdiät jedoch eine ständige Gefahr. Den Hunger nach Melodienfleisch.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Sort of revolution
- Move on me
- Q & A
Tracklist
- Sort of revolution
- Move on me
- Six weeks
- Nothing is ever finished
- See it all
- Q & A
- If I had a million
- Pigtails
- Maker
- Walking in the sun
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