
Delta Spirit - Ode to sunshine
Rounder / Decca / UniversalVÖ: 05.06.2009
Das Testament des Dick Rowe
Dick Rowe war in den Sechzigern ein gefragter Mann. Als A&R von Decca Records war er einer der wichtigsten Männer der britischen Musikindustrie. Als im Jahre 1962 ein feiner junger Herr um Empfang bat und dieser ihm vier verkaterte Halbstarke vorstellte, machte Rowe kurzen Prozess. Er lehnte die Beatles ab. Schon ein Jahr später begriff er, dass er wohl die folgenschwerste Entscheidung seiner Zunft getroffen hatte. Das Trauma hält bei Decca an. Noch immer wird jährlich auf den Fehlgriff eine Flasche Sekt getrunken. Seit letztem Jahr stoßen auch Delta Spirit mit an. Die klingen wenigstens, als wären sie die jungen Beatles.
Da muss man nur der himmlischen Eröffnung "Tomorrow goes away" zuhören, und schon ist man mit Haut und Haaren im Sog von "Rubber soul" gefangen. Sänger Matt Vasquez klingt wie der jungfäuliche John Lennon, Delta Spirit suhlen sich kiffend im Folk einer großen und unvergessenen Zeit. Die Band kennt sich aus: Da blitzt Bob Dylan auf, Neil Young und auch die Waterboys. Gospel, Blues und Country ackern sie ab, sie zitieren Jack Kerouac und Woody Guthrie. Da wird der heilige Geist der Popmusik mit mutigem Geschrammel gepaart und besoffen zu verstimmten Pianoklängen gegrölt. Es hört sich so verwundbar an. Und es ist so gut.
Die Wühlerei im Wurzelgund der Popmusik gelingt Delta Spirit, ohne ins Anbiedern zu verfallen. In der großen Saloon-Tragik von "House built for two" knöpfen sie sich Dlyan vor, als ob sie mitten in "Blonde on blonde" gefangen wären. Herzergreifend jammert Vasquez über die süffigen Klänge eines Klaviers, stolpert zum Refrain in einen schiefen Singsang, der ihm mindestens aus dem tiefsten Loch seiner Seele purzelt. "People turn around" versucht sich einmal mehr am Folk, wie ihn die Two Gallants nicht schöner hinbekommen. Delta Spirit machen da keine halben Sachen: Authenzität heißt hier auch Können.
Das große Finale ist dem dramaturgischen Verlauf der Platte würdig: "Ode to sunshine" wandert durch die Weiten Amerikas. Man reißt mit dem Zug, verweilt mal wieder bei Dylan, bläst Youngs Sehnsucht nach Freiheit in den Wind und bläht sich bis zur Explosion mit Swamp-Rock auf. Es dauert keine volle Umdrehung, bis man dieser Platte und ihrer romantischen Atmosphäre erliegt. Plötzlich ist man selbst Huckleberry Finn, zieht durch die Lande, ergibt sich dem Drang der Freiheit. Die größte Leistung einer sehr guten Platte. Auch wenn es natürlich nicht ganz reicht, um Dick Rowes legendären Schnitzer auszubügeln.
Highlights & Tracklist
Highlights
- House built for two
Tracklist
- Tomorrow goes away
- Trashean (Song)
- People c'mon
- House built for two
- Strange vine
- Streetwalker
- People turn around
- Parade
- Bleeding bells
- Children
- Ode to sunshine
Referenzen
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