Wendy McNeill - A dreamer's guide to hardcore living
Haldern Pop / CargoVÖ: 05.06.2009
Wehende Klagen
Akkordeon und Walzer-Takt - weshalb geht das eigentlich derart selbstverständlich zusammen? Wer sich schlau machen will, stößt schnell auf geographische und zeitliche Übereinstimmungen - Wien, zu irgendeiner Jahrhundertwende. Das schafft indes nicht eben weniger Verwirrung. Denn seit wann schwoft man beim Opernball in Bauernkluft, bittscheen? Wo kommt die ganze Folklore her? Und was hat das alles mit Tango zu tun? Wendy McNeill hilft einem da freilich auch nicht viel weiter.
"Ask me no questions / I'll tell you no lies", singt sie freimütig ihr Motto heraus. Das Akkordeon schwingt dazu auf und ab, pumpt den Bass auf den Anfang des Taktes und kontert gleich darauf mit den Diskanten. Da schaukelt der Hörer automatisch mit. Egal bei welcher Tätigkeit. Ob beim Kaffeekochen, Wäschebügeln, Pausenbrotzerkauen oder Bombenbauen. Es geht alles besser und beschwingter mit anständig DAMM-damm-damm im Oberstübchen. Mehrmals zeigt sich "A dreamer's guide to hardcore living", McNeills bereits sechstes Album, derart eindeutig. Die Songs reiten dabei jedoch durch gänzlich verschiedene Stimmungswellen.
Während "Ask me no question" mit Spinetten herumknistert, bleibt McNeills Gesang einerseits dicht bei den Betonungen, pfeift andererseits all die emporflackernden Klagelaute mit Wolfsgeheul zum Rudelgrusel zusammen. "Maybe" hingegen unterhölt den Walzer durch ein morriconeskes, wie Wüstenwind durch den Hintergrund wehendes Gesangs-Lamento. Wind ist auch ein großes Thema auf "The sad sssad story of Rosa Rabbit and Sasha Snake" - was McNeills Instrument Kraft und Jammer zugleich verleiht, das nutzt der Song zu seiner größtmöglichen Dynamisierung. Diesmal jedoch spielen mehrere Flöten und Klaviere die unruhigen Geister, die McNeill herbeiruft und der Hörer anschließend nicht mehr loswird. "Stop" stampft schließlich ein wenig und klatscht in die Hände. McNeill jedoch drückt ihre Walzer-Betonungen und Triolen unbeirrt selbst in diesen 4/4-Takt, wodurch erneut ein Song entsteht, der im Inneren nur noch mehr pulsiert als ohnehin schon.
Auch sonst spielt "A dreamer's guide for hardcore living" einen Kammer-Pop, der Fenster und Türen sperrangelweit aufreißt und ein immenses Instrumentarium durch den Raum wirbeln lässt. Mal wie Gespensterheulen, mal wie wehende Vorhänge oder Böen aus Gänsehaut. Selbst die eher pittoresk beruhigten, allein mit akustischen Gitarren, Streicherfiguren und Fingerschnippen kokettierenden "Building a castle" oder "Crossing hearts/Cutting threads" zeigen sich innerlich aufgestört, aber doch sehr friedvoll. "Our home has turned into something / A place where dreams and fears collide." Weshalb das derart selbstverständlich Hand in Hand geht? Nun, vor dem Fenster rufen selbst die Tauben mit - dem Morgen entgegen und eindeutig im Takt. Die haben das verstanden, denn sie wissen, was ihnen Auftrieb verleiht. Wir grübeln noch. Mit ordentlich DAMM-damm-damm unter den Flügeln ist aber auch das gar kein Problem.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Stop
- Crossing hearts/Cutting threads
- The sad sssad story of Rosa Rabbit and Sasha Snake
Tracklist
- Flight
- Stop
- Building a castle
- Lutetia
- Ask me no questions
- Crossing hearts/Cutting threads
- Faith and the long haired man
- The sad sssad story of Rosa Rabbit and Sasha Snake
- Maybe
- Backstairs
- White horses
- Park benches
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