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St. Vincent - Actor
4AD / Beggars / IndigoVÖ: 02.05.2009
Leben in Technicolor
"Ich glotz TV!" Nicht nur Nina Hagen entdeckte einst die Verlockungen der bunten Fernsehwelt, auch Annie Clark alias St. Vincent hat sich für ihr neues Album vor die Flimmerkiste geklemmt. Aber nicht, um sich mit einem der 500 amerikanischen Fernsehprogramme zu Tode zu langweilen, sondern um sich Filme anzuschauen. Zwar übertrug sich die davon erhoffte Inspiration dem Vernehmen nach zunächst allenfalls per Osmose, nach und nach aber entstand eine Art Score zu Clarks Lieblingsfilmen, der dann zu Songs ausgebaut wurde. Das ist ein bisschen so, als würde man beim Dreh erst einmal die beeindruckende Landschaft filmen und hinterher die Schauspieler hineinkopieren. Aber wen interessiert das, wenn der fertige Streifen in derart sattem Technicolor erstrahlt wie im Falle von "Actor"?
11 Szenen versammelt das zweite Album Clarks, und jede ist ein kleines Kunstwerk für sich. Häufig eingeleitet durch atmosphärische, filmmusikartige Passagen nehmen die Songs anschließend Fahrt auf, wechseln aber mehrfach die Richtung und das Fahrzeug, um die lästigen Verfolger abzuschütteln. Ähnlich dem Meisterdieb Thomas Crown bleibt St. Vincent ihren Häschern stets einen Schritt voraus, setzt zum gewagten Sprung von Dach zu Dach an, schlüpft in eine Verkleidung oder nimmt einfach den Hinterausgang. Unmöglich vorauszusagen, in welche Richtung sich ein Song entwickeln wird. "The strangers" etwa reitet auf einer ebenso sanft wie stetig klopfenden Bassdrum durch Nacht und Wind, trifft ein paar vornehm gekleidete Holzbläser am Wegrand, gerät unverhofft in ein Gitarrengewitter, ehe sich die dunklen Wolken allmählich wieder verziehen. Mit freundlich-zarter Stimme und beinahe geistesabwesend fordert Clark jedoch auf: "Paint the black hole blacker."
Diese Spannung aus musikalischer Leichtigkeit und lyrischer Schwermut prägt auch das ausnahmsweise sehr geradlinige "Save me from what I want". Zum meistenteils federleichten Pop, der nur im Mittelteil kurz eine dramatischere Stimmung aufbaut, in der das darunter schlummernde Böse aufscheint, konstatiert Clark diesmal: "I’m a wife in watercolours / I can wash away". Es ist wie mit dem dunklen Familiengeheimnis, das jedes Mal, wenn Besuch kommt, in eine enge Kiste gesperrt wird, vehement dagegen rebelliert und schließlich nur mit Mühe unter Verschluss gehalten werden kann - obwohl längst jeder gemerkt hat, wie der Hase wirklich läuft.
Einzig im nicht umsonst so betitelten "Black rainbow" schafft es dieses dunkle Element einmal, die Oberhand zu behalten. Ruhig und lieblich wie immer säuselt Clark, die Holzbläser schauen noch einmal herein und zwitschern herum wie Vögel, während sich erst unbemerkt, dann aber immer bedrohlicher das losgelassene Ungemach wie eine riesige schwarze Wolke hinter Clark aufbaut. Doch kaum dreht sie sich mit dem ersten Ton von "Laughing with a mouth of blood" um, sitzt das Monster wieder in der Kiste. Trotz des erneuten musikalischen Sonnenscheins dieses Songs möchte man angesichts von Zeilen wie "I can'’t see the future / But I know it'’s got big plans for me / All my old friends / aren'’t so friendly" jedoch nicht tauschen.
Neu im Vergleich zum Debüt "Marry me" sind auf "Actor" die elektronischen Elemente. Auch "Marrow" ist mit einem Beat unterlegt. Und so wie hier die bratzigen Gitarren kurzzeitig in eine Kakophonie ausbrechen, besitzen auch einige weitere Songs – von den Texten einmal ganz abgesehen – ihre Widerhaken, die die Schönheit aufbrechen und die hässliche Rückseite der Frau Welt zeigen - mit all ihren Kröten und Schlangen. Damit dies nicht zur starren, erwartbaren Formel wird, versucht St. Vincent zum immer ruhiger werdenden zweiten Teil des Albums hin aber auch andere Dinge. Und so steigert sich "The party" mehr und mehr in seine symphonische Schönheit hinein. Das Beste aber hebt sich Annie Clark für den Schluss auf: Wie in "Just the same but brand new" urplötzlich ein krachender Schlagzeug-Beat aus dem anfänglichen Glitzern auf dem Wasser bricht, das sich dann weit hinaus aufs Meer verflüchtigt, das schaffen nur die ganz großen Regisseure. Einer hört auf den Namen St. Vincent. Und sollte so schnell wie möglich einen eigenen Stern auf dem Walk of Fame bekommen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Save me from what I want
- Laughing with a mouth of blood
- Marrow
- Just the same but brand new
Tracklist
- The strangers
- Save me from what I want
- The neighbors
- Actor out of work
- Black rainbow
- Laughing with a mouth of blood
- Marrow
- The bad
- The party
- Just the same but brand new
- The sequel
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News
2011-06-23 00:34:55
RAIN DOGS REVISITED
St. Vincent, Tiger Lillies to Cover Tom Waits for RAIN DOGS revisited tour.
While we wait for the new Tom Waits studio album that´s in the works, a group of notable musicians are set to honor one of his classic records, RAIN DOGS, for those lucky enough to attend a string of forthcoming European tour dates.
cip
2009-12-21 10:55:02
Dieser Thread braucht mehr Posts! Hätte das Album beinahe verpasst. Dabei ist es locker eines der Jahres-Highlights.
sugar ray robinson
2009-08-04 22:01:53
Auf Tour mit Grizzly Bear:
10-31 London, England - Barbican Hall
11-01 Dublin, Ireland - Vicar Street
11-02 Glasgow, Scotland - ABC
11-04 Manchester, England - Cathedral
11-05 Leeds, England - Leeds Metropolitan Uni
11-06 Bristol, England - Anson Rooms
11-08 Brussels, Belgium - Cirque Royal
11-09 Amsterdam, Netherlands - Melkweg
11-10 Hamburg, Germany - Grunspan
11-11 Berlin, Germany - Postbahnhof
11-12 Munich, Germany - Theaterfabrik
11-15 Fribourg, Switzerland - Fri-Son
11-16 Vienna, Austria - WuK
11-17 Basel, Switzerland - Volkshaus
11-19 Koln, Germany - Kulturkirche
11-20 The Hague, Netherlands - Crossing Border Festival
11-21 Paris, France - La Cigale
11-24 Copenhagen, Denmark - Lille Vega
Soup Dragon
2009-06-02 01:16:26
Ganz tolles Album, will ich nochmal sagen. und schade das hier im thread so wenig los ist.
georg
2009-05-29 16:40:15
Hat mir anfangs nicht besonders gut gefallen, ist aber mittlerweile in meinen Top 5 des Jahres gelandet.
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