The Low Frequency In Stereo - Futuro
Rune Grammofon / CargoVÖ: 11.04.2009
Sie sind so frei
Dass Postrock auch als Zitatcollage rund um rhythmische Neuerungen funktionieren kann, hat seit Tortoise niemand so recht verstehen wollen. Eine der wenigen Ausnahmen auf Planet Antagonistan, auf dem ständig jemand "RUHE!!!" brüllt, bilden The Low Frequency in Stereo. Und zwar nahezu programmatisch. Während sich Tortoise Sounds und Harmonien zur Modulation unterwerfen, trifft es hier seit einigen Platten ganze Genres und Bandkataloge. Wenn die Songs dabei derart angenehm kurz und knackig gehalten werden, wie erneut auf weiten Teilen von "Futuro", kommt der immense Ideenpool der fünf Norweger ganz ohne Ausstellungscharakter zur Geltung - und wird nicht etwa im zwölfminütigen Trackwalhalla untergebuttert.
Die wippenden Bewegungen eines Stücks wie "Turnpike" können so auf sehr druckvolle Weise Ennio Morricone und Vince Guaraldi ein- und Pink Floyd sowie Sonic Youth wieder ausatmen. Gleich darauf schwebt der Gesang Hanne Andersons wie ein Whale-trifft-Weezer-Zitat durch einen von mehreren Gitarrenspuren schrill zerrissenen Dandy-Warhols-Cluberer. Zu "Geordie La Forge" klickern Kreidler-Bassläufe dezent auf und nieder, während die Gitarren hintenrum bereits das große Röhren und Zittern vorbereiten, mit dem sich "Mt. Pinatubo" in eine einzige Alarmsirene hineingroovt. Bei "Starstruck" torkeln die östlichen Harmonien der 1980er Siouxsie And The Banshees in die weit geöffneten Arme eines waschechten Powerpoppers. Eine Spannung, die mit "The end is the end" trippig ausgebaut wird. Während die Rhythmusfraktion vor sich hin tiggert, schreddern und schlieren die Gitarren zwischen Country und Noise. Dazu präsentieren Andersen und einer ihrer Jungs ein tiefenentspanntes Duett im Sinne Yo La Tengos, zu dem auch der Notwist-Takt von "Sparkle drive" mit - klar - Tortoise-Bässen, -Orgeln und -Synthies umherschwoft.
Im Delay- und Sechzehntel-Fieber ist sich auch der abschließende Brocken "Solar system" keiner großen Geste zu schade. Die Verstärker werden spooky, aber gegenpolig verdrahtet, die Augen ziehen sich im Can-Dunst auf Halbmast, tief unterkellerte Drums und schnarrende Slides sorgen für ein intensiveres Druckverhältnis. Irgendwann schält sich ein wahres Funkungeheuer aus dem Tumult, lässt Bass, Saxophon und Trompete High Five auf den Offbeat bratzen. Bis sich der Song mit einem schaurig-schief getakteten Glockenspiel zu all den anderen Monstren die Kellertreppe hinabschubst. Wumms - die Tür im Schloss, der kalte Wahnsinn im Nacken. Hinterher weiß man nun wirklich nicht mehr, was das jetzt eigentlich für ein Trip gewesen sein soll. Jazz, Funk, Kraut, Prog, Psychedelic, New Wave und doch auch Power-Pop schleudern durch "Futuro" wie ein Sturzflug aus dem Orbit in die intimsten Gedankengewölbe - und wieder zurück. Vom einst tonangebenden Postrock bleibt nur ein Zündfunke übrig. Er funktioniert als Pole Dance, um den sich das Album schlingt wie bei einem Asteroiden-Ballett. Er verspricht die Freiheit, die sich The Low Frequency In Stereo nehmen. So war das einst gedacht: Nach dem Rock ist vor der Zukunft. Dazwischen, in dieser Gegenwart, ist man halt so frei.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Geordie La Forge
- Starstruck
- The end is the end
- Solar system
Tracklist
- Turnpike
- Texas fox
- Geordie La Forge
- Mt. Pinatubo
- Starstruck
- Sparkle drive
- The end is the end
- Solar system
Referenzen
Spotify
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