Anni Rossi - Rockwell

4AD / Beggars / Indigo
VÖ: 27.03.2009
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Sprungbrett

Gleich zu Beginn eine Entschuldigung für für die fehlende Einzigartigkeit dieses Textes. Es besteht nämlich die Möglichkeit, dass der Rezensent in seiner fast drei Jahre andauernden Tätigkeit für Plattentests.de dem Produzenten Steve Albini schon mehr Zucker als nötig in den Arsch geblasen hat. Aber was soll man auch anderes tun, als wie fremdbestimmt zu Boden zu kriechen und sich vor diesem unverwechselbaren Tonkünstler zu verneigen? Eine Stecknadel, eine winzig kleine Stecknadel würde ausreichen, um die Luft zu zerschneiden und seine hochkonzentrierten Aufnahmen zum Platzen zu bringen. Manchmal bringt es einen schier um den Verstand, welche Klarheit Albini auf engstem Raum erzeugen kann. Nach einem Dutzend seiner Produktionen hintereinander und hektischen Blicken nach links, rechts, oben und unten möchte man mit Anlauf in die Stereoanlage springen, weil es doch schwer zu fassen ist, dass die auf Tonträger gebannten Musiker nicht im gleichen Raum präsent und anwesend sind.

"Rockwell" von der jungen Amerikanerin Anni Rossi ist ein weiteres exzellentes Sprungbrett in Richtung der arg malträtierten Abspielgeräte. Wer ist also dieser neue Stern am Firmament der reduzierten Musik, die Albini so gerne in seinen Arbeitsfokus nimmt? Rossi, geboren in Minnesota und inzwischen wohnhaft in Chicago, lernte schon in jüngsten Jahren, bevor andere Kinder ihren Stuhlgang selbst zu regulieren wissen, Geige und Piano spielen. Nachdem sie im Laufe ihrer Jugend zur versierten Multinstrumentalistin aufstieg, holte sie sich mit ihrem Studium der klassischen Musik die offizielle Bestätigung, eine begnadete Künstlerin zu sein. Obwohl ihr Talent weitreichend ist, ist "Rockwell" auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert. Ein schütteres Percussionset und ein Cello unterstützen sie bei den Aufnahmen, in die Rossi selbst nur eine Violine und ein selten zum Einsatz kommendes Keyboard mit einbrachte. Wer nun auf Grund des Instrumentariums erwartet, dass sich Rossi auf ihrem kurzweiligen, gerade mal sechsundzwanzig Minuten andauernden zweiten Album der klassichen oder auch Kammermusik widmet, der sei hiermit eines Besseren belehrt. Denn "Rockwell" ist, mit weitreichenden Umwegen, dem puren Pop nicht wirklich fern. Auf links gedreht, versteht sich.

Das ganze Potenzial Rossis entfaltet sich geich zu Beginn. Ihre Violine wird nicht mit einem Bogen gestreichelt, sondern gezupft und erinnert mehr an eine wohltemperierte Gitarre oder auch Mandoline. "Machine" verrät ihr Talent zu atemberaubenden Umschwüngen, in denen sie dem monotonen und abstrakten Rhythmus urplötzlich die Sporen gibt. Dazu tanzen, dürfte schwierig sein, die nötigen Impulse verleiht sie. So jault sie leidenschaftlich "Impulses / Impulses / Impulses" mit ihrer stark femininen Stimme und faszinierend experimentellen Gesangsmelodie. Das mitreissend-ekstatische "The west coast" führt die Idee des unmittelbaren Breaks fort. Der an die Mountain Goats erinnernde Beginn, auf Grund der alleine im Zentrum stehenden Stimme mit seeleneinschneidenden Lyrics, nur begleitet von undurchsichtigen Griffen in die Violinensaiten, wird von hektischem Cello und ebenso energetischen Drums bewusst zunichte gemacht. Ein unablässiger Fluss an emotionstiefer wie minimalistischer Instrumentenbearbeitung folgt. Faszinierend ist, wie ungefiltert dies auf den Hörer einbricht, ohne atmosphärische Verkleisterungen. Albini bringt die Luft wieder zum Schneiden. Das wütende, stringente "Venice" schießt den Vogel ab. Anni Rossi brabbelt in Hingabe mit infantilen Lippenspielereien wie ein unbedarftes Baby. Kurzschluss. Authentizitätsüberlastung. Die Anlage des Rezensenten is schrottreif. Und er liegt mit breitem Lächeln zwischen den Einzelteilen.

(Markus Wollmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Machine
  • The west coast
  • Deer hunting camp 17

Tracklist

  1. Machine
  2. Ecology
  3. Las Vegas
  4. The west coast
  5. Deer hunting camp 17
  6. Living in danger
  7. Venice
  8. Glaciers
  9. Wheelpusher
  10. Air is nothing
Gesamtspielzeit: 26:10 min

Im Forum kommentieren

ST

2013-02-05 18:16:54

Wollts mal wie in Erinnerung rufen. Großartige kurze Platte! Nachfolger "Heavy Meadow" ist auch gut, wenn auch recht anders.

Soup Dragon

2009-04-16 00:44:58

Newsom und Nastasia, meine Rede. Bester Song ist natürlich Wheelpusher.

gawain

2009-04-15 21:53:29

ja, gefällt mir auch sehr gut, vor allem venice finde ich stark, spannend ist natürlich auch das living in danger-cover.

ano

2009-04-15 21:21:36

Sehr schön. Erinnert an Newsom und Nastasia.

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