Tahiti Boy & The Palmtree Family - Good children go to heaven
Third Side / Al!veVÖ: 09.04.2008
Aus dem Vollen
Die richtigen Leute zu kennen, ist ja schon mal gut, aber noch besser ist es natürlich, die falschen Leute gar nicht erst kennen zu lernen. "Tahiti Boy" David Sztanke hat das genau so gemacht, als er letztes Jahr von Paris nach New York ging, um dort Ordnung in den Songs zu schaffen, die ihn und seine Palmtree Family schon seit einiger Zeit um den Schlaf brachten. Statt sich krampfhaft durch die Türklinken der Musikszene Brooklyns zu putzen, erinnerte er sich an den einen guten Freund, den er dort bereits hatte. Statt Facebook-Profile und schwarze Bretter abzuklappern, machte er einen Telefonanruf - und so singt jetzt TV On The Radios Tunde Adebimpe auf der Platte, die "Good children go to heaven" heißt, weil man ja wirklich auch nicht wüsste, wo die guten Kinder sonst alle hingegangen sein sollen.
"That song" ist dieser Song, in dem Tahiti Boy und Adebimpe so eine Art Slowdance-Duett-Meditation über vergessene Erinnerungen zelebrieren; die Orgel dazu nimmt nur widerwillig Witterung mit dem Lied auf, die Gitarrenlinie steuert mit sanfter Nichtgewalt, und im vielen Freiraum, der dazwischen bleibt, hallt Adebimpes Gesang nach, den man so nackt sonst nur noch in seinem Kinoausflug "Rachel getting married" zu hören bekommt. Es ist typisch für Tahiti Boy And The Palmtree Family, dass sie eine der fülligsten Stimmen des Indierocks in einem songgewordenen Kleinmachmanöver unterbringen, aber davor und danach 50 Minuten lang sehr selbstbewusst aus dem Vollen schöpfen: Die Problemlösungen auf "Good children go to Heaven" sind immer einfallsreich und unkonventionell, die Auswege lang, aber niemals steinig.
Bevor überhaupt irgendwas gelöst oder umfahren werden muss, schicken Tahiti Boy And The Palmtree Family allerdings einen Fliegenfänger von einem Pophit voraus, der in seiner Unwiderstehlichkeit und Catchyness mindestens mustergültig ist: "1973" verhaspelt sich so liebevoll und hoffnungslos in seinem eigenen überkandidelten Überfluss, dass einem selbst seine ganzen 60s-Tricks wie der letzte Freudenschrei vorkommen. Mellotron, Kullerorgel, Flöten, Streicher und Glockenspiel sind auch in der Folgezeit entscheidende Spielmacher für "Good children go to Heaven". Schon in "When I speak" werden sie allerdings von einer zickigen Quertreiber-Gitarre und verbohrtem Kinderklavier angegriffen, die nahelegen, dass man das Album niemals für einen nostalgischen Leichtgewichtler halten sollte - auch wenn sich Tahiti Boy natürlich nicht zu schade ist, selbst die ärgsten Dissonanzen dieses Songs noch in einem weitläufigen Wohlgefallens-Refrain aufzulösen.
Zeit ist wichtig für diese Band, weil sie am besten ist, wenn sie keine Rücksicht darauf nimmt. "Time" nutzt seine sieben Minuten, um sich über Banjo-Raserei, halb erstickte Querflöte und Barjazz-Piano ins größte "We are the world"-Finale des Albums hineinzusteigern, und "Brooklyn" hängt noch 30 Extrasekunden dran, damit auch ja kein Stein mehr auf dem anderen liegt, wenn sein Abschluss-Freakout aus Menschen- und Gitarrenpfeifen den blümeranten Popsong einstampft, der sich vorher so ausführlich in Position gebracht hatte. "It's such a waste of time / To think a song can't change the world", kann Tahiti Boy danach nur noch singen, aber genauso gut könnte er natürlich auch "can" meinen, man steckt da ja nicht drin. Man hört nur seine Platte und weiß dann immerhin, dass Broken Social Scene auch in den Sechzigern und als Franzosen funktioniert hätten.
Highlights & Tracklist
Highlights
- 1973
- When I speak
- That song
- Time
- Brooklyn
Tracklist
- 1973
- When I speak
- That song
- Blood in your eyes
- Not only for the weekend
- Sparkle
- Time
- You make me blush
- When I miss you
- Who knows?
- Brooklyn
- Holiday school program
Referenzen