De Rosa - Prevention

Chemikal Underground / Rough Trade
VÖ: 13.03.2009
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

In 80 m2 um die ganze Welt

Quadrophonie, Dolby Digital, IMAX, DTS - Raumklang kann ganz schön verwirrend sein. Gespenstisch gar, sprich: heimsuchend. Die ganze Welt per Surround 23.1 im eigenen Wohnzimmer, wer will das schon? Während der geneigte Slayer-Fan noch "Lest die Messe immer mitten in die Fresse!" vor sich hin murmelt, rollen sich die Pupillen von weniger me(n)tal gesunden Hörern bei einem neuen High-Tech-Sounderlebnis misstrauisch und ausflippbereit durchs Zimmer. Man hat da doch was gehört?! Hier geht doch irgendetwas vor sich!? Dieses Mariachi-Mottenlarven-Ensemble etwa, das einen Mezcal-Schriftzug durch den Pullistapel mampft. J Mascis persönlich, der unter dem Parkett das Feierabendbier zu einem Fuzz ohne Boden zercrasht. Oder ein ganzes Orchester, das die Wände zum Schaukeln bringt. Alles halt, was man nicht wirklich erwartet, wenn man die Schranktüren öffnet.

Der Kontrast zwischen Drama und Heimeligkeit beschäftigt auch De Rosa. Auf ihrem Zweitwerk "Prevention" bewegen sie die Grenzen dieser beiden Stimmungen aufeinander zu. Gleich in Martin Henrys Stimme wühlt eine (un)ruhige Geschäftigkeit. Sie zeigt sich gütig und geerdet wie die von Benjamin Gibbard (Death Cab For Cutie), aber auch verdunkelt und theatralisch. In den besten Momenten bekommt sie so etwas Kafkaeskes und singt Zeilen wie: "Desire crawls on my back like a rat." Oder: "Sä zigaaräääts kiep mäi tschest täit" (Schotten, ay?). Hier schleppen sich Freuds Rattenmann und Kafkas Gregor Samsa Arm in Arm zur Familientherapie. Was der Deutschlehrer schon wusste, findet im behutsam gezupften und dann massiv anwachsenden, vielstimmig gefeierten Folk-Pop von "Pest" und "Under the stairs" allerdings weitaus dankbarere Zuhörer.

Auch sonst schlingert "Prevention" zwischen Kummer und Hingabe - und produziert flackerig bunte Gänsehaut. Der teils stoisch ausgestellte Krach des Debüts "Mend" findet nur noch als unterschwellige Warnung statt. Stets scheint er die Trauerhymnik von "Stillness" und "Swell" oder die verschleierten 80er-Gesänge und -Synthies von "Nocturne for an absentee" zu bedrohen. Letztlich findet sich jedoch immer ein anderer Ausweg. So auch bei "Flight recorder". Der Song tickert mit kongenial verschlungenen Bass- und Gitarrenläufen voran, nimmt aber stets die letzte Abfahrt vor dem großen Hit. Und schwillt so lange in sich selbst hinein, bis der fällige Ausbruch genau die Logik ist, die dann doch verweigert wird. Sauber konstruiert, konsequent durchgezogen und im Spiel mit den Erwartungshaltungen spannend zu Ende gebracht.

Ähnlich ergeht es "A love economy" und "It helps to see you hurt", die ihre Kraftakte minutiös eingliedern, für den Schluss aber lieber noch eine Schicht Harmoniepuder mehr auftragen. Oder "In code", dessen Basszirkel zwischen Pinback, The Cure und Coldplay im Quadrat springt - und durch mehrere Gitarrensekanten erst so richtig rund wird. An großen Chorälen und tückischen Abstechern wird "Prevention" ebenfalls nimmersatt. De Rosa schwelgen und prassen, sind Leckermäuler und Lüstlinge zugleich - darüber aber ziemlich verzweifelt. Meinte zumindest Sigmund Samsa, kurz bevor er sich zwischen den Wollsocken wieder fötal in Stellung kuschelte. Und der muss es schließlich wissen.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • It helps to see you hurt
  • Stillness
  • In code
  • Flight recorder

Tracklist

  1. A love economy
  2. Nocturne for an absentee
  3. It helps to see you hurt
  4. Pest
  5. Stillness
  6. Under the stairs
  7. In code
  8. Swell
  9. Flight recorder
  10. Tinto
Gesamtspielzeit: 44:57 min

Im Forum kommentieren

m.caliban

2009-03-11 15:08:33

so jetzt mal mit was zum hören, das darf nicht unbeachtet bleiben:
www.myspace.com/wearederosa

lilacmess

2009-03-10 16:10:57

Ich bin schon gespannt. Hab Mend sehr gern gehabt!

m.caliban

2009-03-09 16:28:11

Das Album kommt ja die tage auf den markt und ich persönlich finds äußerst gelungen. Meinungen dazu?

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