Defeater - Travels
Bridge Nine / SoulfoodVÖ: 06.03.2009
Geprügelte Hunde
Hardcore ist nicht immer so einfach wie früher. Sicher, viele der alten Recken sind wie damals unterwegs, als man Parolen und Gangshouts passgenau auf zackige Breaks und Akkorde zugeschrieben hat. Und umgekehrt. Unlängst ist die Kraft dieser Musik allerdings auch bei den Kopfmenschen angekommen. Bei denen, die ein anderes Empfinden für seine Ästhetik besitzen. Die ihn ganz anders umzusetzen wissen. Und damit auch bei Defeater, einer Hardcoreband aus Boston, Massachusetts.
Ihre Debütplatte mag gerade mal eine gute halbe Stunde dauern. Wer daraus allerdings ableitet, dass dahinter eine Latte geradlinig runtergeholzter Zwei- und Dreiminüter stecken muss, der irrt. Trotz feinem Gespür für Melodien und Rhythmen steckt in keinem einzigen der elf Songs auf dieser Platte auch nur ein einziger kalkulierter Mosh- oder Mitrgröhlmoment. Defeater bedienen sich Versatzstücken dessen, was man auch etwa auf einem Agnostic-Front-Album zu hören bekommt: Lautstärke, Gebell und Rückgrat. Defeater sind eben eine Hardcore-Band. Aber sie machen trotzdem keine geradeaus gestrickten Tanzbärchen für den Circlepit.
Defeater sind Geschichtenerzähler, bei denen der Rhythmus der Zeilen alles andere diktiert. Ihr namenloser Antiheld ist ein Mann aus der Unterschicht, der seinen prügelnden Vater ermordet hat. Der seine Mutter, seinen Bruder und seine Heimat verlassen hat. Der den Großteil dieser Platte rastlos von einem Ort zum anderen zieht, trinkt, in Scheunen und Bars nächtigt und der Jahre später nach Hause kommt: die Mutter tot, den Bruder wird er noch töten, und das Ende kommt erst noch. Für die meisten Genrestandards ist bei diesem Stoff kaum noch Platz.
Und so ist die Musik auf diesem Album ähnlich wie die Geschichte dahinter: getrieben, geprügelt und zunehmend hoffnungslos. Der Schlagzeugstock drischt auf die Felle im Takt zu den Fäusten des trunkenen Vaters, der auf seine Frau einprügelt. Sänger Derek keift dann am bedrohlichsten, wenn er in die Rollen sich beharkender Protagonisten schlüpft: Vater gegen Sohn, Bruder gegen Bruder. Und greift zur Countrygitarre, wenn sein Held das tut: auf der Straße, von einer Stadt zur nächsten gejagt, kein Geld in der Tasche, nur Booze und jene Gitarre. Ein wenig wie störrische Modern Life Is War klingt dieses Album. Es verweigert sich größtenteils Strophe und Refrains. Es präsentiert eine Band, die sich an der rohen Wucht ihrer Songs berauscht. Die unberechenbar bleibt, die Tempi und Lautstärke nach Belieben variieren kann, wann und wie sie es will. Eine Platte, die man gefühlt haben sollte.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Nameless streets
- Forgiver forgetter
- Cowardice
Tracklist
- Blessed burden
- Everything went quiet
- Nameless streets
- Forgiver forgetter
- The city by dawn
- Prophet in plain clothes
- Carrying weight
- Moon shine
- The blues
- Debts
- Cowardice
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Bonanza
2012-01-18 16:52:26
Sie ist wohl sogar locker besser als die Touché Amoré.
Maik
2012-01-18 16:30:28
Besser als Touché Amoré fand ich die Platte zwar nicht, aber ziemlich großartig ist sie schon. Ich kann nur sagen, dass sie bei den Perlen mit in der Auswahl war, es dann aber wohl nicht geschafft hat. Tut mir Leid.
eric
2012-01-18 10:30:45
Wieso wurde die aktuelle 2011er-Platte nicht besprochen? Kam die offiziell noch nicht in Deutschland raus?
Für mich ist das Album fast einen Tacken besser als die Touché Amoré. Wenn auch nur knapp.
Bonanza
2011-09-14 19:27:19
Hoch damit!
Die "Empty Days" ist, ebenso wie alles bisherige dieser Band, absolut grandios. Was für eine Band.
Im Dezember übrigens für 4 Konzerte in Deutschland.
Coby
2011-07-09 01:44:37
Wahnsinns Scheibe!
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