Dear Reader - Replace why with funny

City Slang / Universal
VÖ: 20.02.2009
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Krieg und Frieden

Die Beatles hatten "Please please me", Simon & Garfunkel das grandiose "Wednesday morning, 3 a.m.", und Bob Dylan hatte - nun ja, einfach "Bob Dylan". Das Debüt kann für Musiker Segen und Fluch zugleich sein. Verkauft es sich schlecht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass danach nichts mehr folgt und man für den Rest seiner Tage den einen Hit in jeder Jahres-Chartshow trällern darf, aber trotzdem kaum noch Kohle für die Miete übrig hat. Verkauft es sich aber gut, steigt der Druck, einen noch besseren und vor allem erfolgreicheren Zweitling zu produzieren. Plattenfirmen und Millionen von Fans erwarten eine stetige Steigerung des Schaffens, und entweder der Musiker akzeptiert das und kämpft gegen die traurigen Seekühe und verliebten Hasen von Jamba an oder lässt es bleiben, verschwindet in der Versenkung und ward nicht mehr gesehen. Ja, so ein Künstlerleben ist hart, auch Bands haben es nicht immer leicht, erst recht nicht, wenn die ewige Frage im Raum steht, ob das Debüt nun Woodstock oder Waterloo bedeutet, Grammy-Verleihung oder Dschungelcamp, Himmel oder Hölle. Im Falle der südafrikanischen Truppe Dear Reader lässt sich das sehr eindeutig feststellen: Halleluja, die Mission ist geglückt.

Fallen einem auf Anhieb zunächst eher die negativen Dinge des Lebens ein, wenn man an Afrika denkt - Krieg, Armut, Epidemien, Krankheiten -, benötigen Dear Reader genau 42 Minuten, um jeden Skeptiker vom Gegenteil zu überzeugen. Deren Debüt "Replace why with funny" ist schlicht und einfach, aber nicht langweilig, voller Farben, aber nicht quietschbunt und voller Ideen, doch nicht überladen. Sängerin und Pianistin Cherilyn MacNeil trägt jeden einzelnen Song mit ihrer Stimme, die sich durchaus messen kann mit alteingesessenen Größen wie Regina Spektor und Anna Ternheim, während Multiinstrumentalist Darryl Torr Song um Song ein neues Gewand herbeizaubert. Sei es das wunderschöne "The same", in dem das Talent MacNeils bestens zur Geltung kommt und das, wie einige der anderen Songs auch, vom WITS Chor unterstützt wird oder aber der verspielte Opener "Way of the world" inklusive Banjo und dem in die Beine gehenden Schlagzeug von Michael Wright - Dear Reader wissen, obwohl sie noch am Anfang stehen in der großen weiten Musikwelt, welche Knöpfe zu drücken sind. Fast schon wie alte Hasen präsentieren sie sich auf jedem Song neu, verändern Kleinigkeiten und bleiben doch immer ihrem roten Faden treu, als hätte es für sie nie etwas anderes gegeben.

Das langsam ansteigende "What we wanted" sticht auf dem Album klar heraus, es ist vergleichbar mit einem Herzschlag, der heftiger wird, und nimmt den Hörer ebenso mit, wenn MacNeil sich mit dem Chor um Kopf und Kragen singt. "Run, run, run, there's a bullet in your back / But I wouldn't take it back", heißt es im polternden "Great white bear", und stellenweise scheint es unmöglich, dass all diese verschiedenen Facetten zu ein und derselben Person gehören. Eben singt die junge Frau noch, als gäbe es keinen Morgen mehr, auf "Release me" reduziert sie sich selbst, bis man glaubt, das sei es nun gewesen. Aber dann bricht plötzlich doch wieder alles los, jedoch nur für einen kurzen Augenblick. Dear Reader beziehen ihre Hörer in ihre Musik mit ein, sie spielen mit ihnen und lassen sie daran teilhaben. Nach "Everything is caving", dem vermeintlich letzten Aufbäumen, bevor auch dieses Debüt zu Ende geht, hauen sie ihnen noch den Hidden Track um die Ohren, ein stürmisches Soundgewitter, in dem MacNeil und der Chor nur die Begleitung sind und dann, völlig willkürlich, ist er da, der Abschluss, und das war es dann tatsächlich. Dieses Album ist nicht nur für Dear Reader ein Segen, sondern auch für ihre Hörer, und so bleibt jetzt schon zu hoffen, dass sie dem berühmten Druck des zweiten Werkes standhalten werden.

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Dearheart
  • Great white bear
  • What we wanted

Tracklist

  1. Way of the world
  2. Dearheart
  3. Great white bear
  4. Bend
  5. Out out out
  6. Release me
  7. Never goes
  8. The same
  9. What we wanted
  10. Everything is caving
Gesamtspielzeit: 42:00 min

Im Forum kommentieren

2009-12-13 17:54:53

nerviger scheiß

amy winehouse

dainemoutie

2009-12-13 17:48:48

@ Crappo, der song ist nicht neu, der ist vom album "the younger" von harris tweed, dem vorgängerprojekt vom dear reader ;) das album kam 2007 raus, gibts auch bei itunes etc., ist nicht zu verachten :)

Crappo

2009-10-21 17:41:19

Sind live wirklich toll, habs sie auf dem Reeperbahnfestival gesehen. Da haben sie auch zwei neue Lieder gespielt und das eine davon, was mich beim ersten Hören schon gepackt hat, gibs glücklicherweise bei youtube in sogar ziemlich ordentlicher Qualität, falls das jemanden interessiert: http://www.youtube.com/watch?v=AOWb6qYu-U4

...

2009-10-05 12:45:31

...und Konstantin Gropper von Get Well Soon hat es wohl auch ziemlich gut gefallen, wenn mich nicht alles getäuscht hat.

Rookie

2009-10-05 11:56:53

Das Konzert in Weinheim gestern Abend vor geschätzten 50 durchweg Begeisterten war bisher eindeutig das beste Konzert für mich im Jahr 2009. Ramona Falls war mindestens genauso gut - kein Wunder, war ja auch die gleiche Bandbesetzung. Außerdem muss man Cherilyn MacNeil einfach lieben. Hach!

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