U2 - No line on the horizon

Island / Universal
VÖ: 27.02.2009
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Die seltene Größe

Selbst ein Bono Vox kann den Selbstheilungskräften der Rockmusik nicht mehr trauen. Wo die Rebellion zum festen Bestandteil von fragwürdigen Werbe- und Verkaufsstrategien gehört und Jugendlichkeit längst der gemeinsame Nenner sämtlicher Generationen ist, bleibt für den Sprecher des guten Gewissens nur noch die Rolle des Betrachters. So wie sich einst Dylan vom Rebellen zum Erzähler wandelte, begreift sich Bono als Zeuge und Berichterstatter einer globalisierten Zusammenrottung. "No line on the horizon" glänzt durch textliche Passivität und musikalischen Wagemut. Ein folgenschweres Zusammenspiel: U2 haben ihre beste Platte seit 18 Jahren aufgenommen.

U2 hatten sich mit den letzten beiden, traditionell pop-rockenden Studioalben, "All that you can't leave behind" und "How to dismantle an atomic bomb", im bequemen Mittelfeld der Radiomusik eingenistet. Während Bono zeitgleich für den Posten als Chef der Weltbank und für den Friedensnobelpreis im Gespräch war, befürchtete man als Hörer unterdessen die Ermüdung und Beliebigkeit einer einst so tiefsinnigen, treffsicheren und transparenten Band. Diese war musikalisch zwar noch immer einigermaßen stilbewusst; stilprägend jedoch waren längst ganz andere. Ende 2008 ließ sich die Band dann dazu hinreißen ihr 14. Album mit den Worten anzukündigen: "Man wird U2 nicht wiedererkennen."

Diese Großspurigkeit wurde aufgrund der Vorabsingle "Get on your boots" zunächst mit dezenter Verwirrung quittiert. Zu plakativ, zu aufdringlich, zu gewollt rollte dieses quirlige Bluesriff über eine Gesangsmelodie, die von Radiohead, Stereophonics und Robbie Williams zusammengeklaut erschien. Ein Song, nicht fassbar, aber sonderbar. Und auf keinen Fall hinreißend. "I don't want to talk about wars between nations", singt Bono da und es hört sich aus seinem Mund so falsch an, wie das Lachen der Heidi Klum aussieht. Mit "No line on the horizon" verschiebt sich das Bild. "Get on your boots" webt sich in das Soundkostüm ein und erhält plötzlich den Sinn, den er als isolierter Song nicht drauf hatte.

Die Großartigkeit dieser Platte eröffnet sich langsam, doch stetig. Vorbei am bedrohlichen Feedback, rein in den Titelsong. Ein dringliches Aufbäumen gegen die Konvention. Bono singt von der Schönheit des Individuellen, der Chance der Leidenschaft: Das Treiben des einzelnen Menschen in dieser Welt bestimmt das Bild. Der Song flammt auf, kämpft wie ein angeschossenes Tier ums Überleben. Zerfällt, fängt sich wieder. Die Beruhigung des pluckernden "Moment of surrender" schwebt über seiner gereizten Melodramatik. Die Grenzen werden neu ausgelotet. Und U2 stecken sie extrem weit.

Bis das finale, tieftraurige und doch hell leuchtende "Cedars of Lebanon" diese Blaupause des Schaffens von U2 zu seinem genialischen Höhepunkt führt, watet man durch wundersame elektronische Malereien, lässt sich mit dem Bass durch einen Fluss voller aufregender Bilder treiben, ergründet die Tiefen der Popmusik mit staunenden Ohren. Was passiert, bestimmt der Hörer selbst. Das Eintauchen wird zum individuellen Ereignis, zur Selbstbestimmung des Hörers. Es ist die Verwebung mit Bonos Texten: Muss der Mensch tatsächlich in alle Tiefen dieser für ihn scheinbar grenzenlosen Welt eintauchen? Die letzte Freiheit bleibt die Selbstbestimmung. Und U2 gewähren sie. Eine seltene Größe.

(Christian Preußer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • No line on the horizon
  • Moment of surrender
  • FEZ - Being born
  • Cedars of Lebanon

Tracklist

  1. No line on the horizon
  2. Magnificent
  3. Moment of surrender
  4. Unknown caller
  5. I'll go crazy if I don't go crazy tonight
  6. Get on your boots
  7. Stand up comedy
  8. FEZ - Being born
  9. White as snow
  10. Breathe
  11. Cedars of Lebanon
Gesamtspielzeit: 53:46 min

Im Forum kommentieren

Bona

2025-01-22 23:30:42

https://youtu.be/ByxSyMhbFAY?si=h-5q6z4GoOriKjRv

Wollte dazu jetzt keinen Thread eröffnen. Ein U2/Bono KI Song. Also stimmlich ist das schon echt heftig...

BunteKuh

2025-01-12 10:25:21

HTDAAB >NLOTH> ATYCLB

U2 war zu den Zriten selten schlechter als 8

BunteKuh

2025-01-12 10:20:01

Hab U2 2x live gesehen. "Zoo TV" Tour in Bremen und die 360 Grad -Tour damals für 36,- € (Gruß an Ticketmaster) in Hannover.
Plätze "hinter der Bühne". Die war aber aufgrund der offenen Bühne wirklich gut einsehbar.
Schon damals war Bonos Stimme eine andere.
Wirklich nicht schlecht, aber nicht so gut und unverbraucht wie in jungen Jahren. U2 waren live aber immer top.....

Ich mag das Album und die Stimmung. Ist aufgrund der fehlenden "Top Single" irgendwie unter dem Radar. Zu unrecht.

fuzzmyass

2025-01-11 17:09:59

Fand anhand vieler YouTube Videos Bono gesanglich schon recht solide, so ist es nicht - hat sich tatsächlich besser angehört (ist halt nur aus der Ferne betrachtet, also mit Vorsicht zu genießen) als in den Jahren davor, aber "NIE so gut bei Stimme" ist natürlich total überzogen... obwohl ich eines dieser Sphere Konzerte zu gern live gesehen hätte, wäre sowas halt in Europa gewesen...

Bona

2025-01-11 15:17:56

Ich finde es auch schräg. Es gibt Fans die in Vegas waren und meinen das er noch NIE so gut bei Stimme war. Ich war persönlich nicht in Vegas, aber ich meine dennoch das man das auch aus der Ferne ganz gut einschätzen kann... ;)
Wem das noch gefällt dem sei es gegönnt. :)

Wurde schon gepostet das Larry Mullen jetzt für einen Film den Soundtrack mit produziert hat? Passt für vielleicht nicht rein, aber ein Thread isses jetzt auch nicht wert. Das Trommeln hört man schon ganz gut raus wenn man es weiss und sein Spiel lange kennt.

https://youtu.be/86KHzNYBJs0?si=jEZCd_TTetPhrLxd

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