Thorn.Eleven - Circles
Muscon / IntergrooveVÖ: 27.02.2009
Günther, Gags und grimme Schnitter
Was ist üblicherweise noch ermüdender als eine weitere Nickelstaind-Band? Richtig: Eine weitere Nickelstaind-Band aus hiesigen Landen. Und dann auch noch aus dem baden-württembergischen Heidelberg. Kaum vorstellbar. Ein Ort, so wird erzählt, in dem Honig und Milch anstatt Wasser im Neckar fließen. Jenes Heidelberg, das schlechtes Wetter nur aus Erzählungen der Alten kennt und das zu den wärmsten Städten der Republik zählt. Ist es überhaupt möglich, Trübsal und schwere Gedanken zu hegen, wenn man aus einem Ort stammt, der dem Paradies wohl sehr nahe kommt? Und könnte die christlich-demokratische Regentschaft unter dem Landesvater Günther Öttinger darin verstrickt sein? Fragen über Fragen.
Die Thorn.Eleven eigentlich selber beantworten müssten. Die vier Herren schweigen sich jedoch beharrlich über die Herkunft ihres Zorns und Schmerzes aus. Ihr drittes Album nach rund fünfjähriger Stille und einem Label- sowie Besetzungswechsel erzählt keine Geschichten, versucht erst gar nichts aufzuklären und nachvollziehbar zu machen, sondern bleibt im eigenhändig angelegten Sumpf aus Pein stecken. Da strampeln nun also die Jungs von Thorn.Eleven in der matschigen Brühe und merken gar nicht, dass sie mit jedem Song ein Stückchen tiefer hinein rutschen. Wenn alles schlecht ist, dann aber auch bitte richtig und mit Ansage. So etwas nennt sich wohl selbst erfüllende Prophezeiung.
Entweder ist man als Bandmitglied so gebeutelt vom Leben, dass man sich irgendwie total verloren und einsam vorkommt. Der Song dazu heißt natürlich "Lost". Oder bereits dermaßen von der Last des Lebens zerschlissen, dass im Grunde nur noch Gevatter Tod wartet, wie "Summer" zu berichten weiß: "You try to run / You try to be / You're struggling to live / You try to run / You try to be / But we're both dead as far as I can see." Herzenskälte, Trübsal und Depressionen sind die obligatorischen Subkultur- und Genre-Codes, mit denen weiterhin wenig subtil hantiert wird. Man ist schließlich eine Band, die unbedingt ins Post-Grunge-mit Metal-und Hardrock-Anleihen-Fach gehören möchte. Dass dabei der ursprüngliche Gedanke, der sich hinter dem Label Grunge versteckte, weitestgehend ignoriert und verhunzt wird, spielt naturgemäß kaum eine Rolle. Leid und Leid sind eben doch nicht immer dasselbe.
"Circles" dreht sich beharrlich um die ewig gleichen inneren Missstände, und damit sowohl thematisch als auch künstlerisch stetig um sich selbst. Nun ja, irgendwie im Kreis. Zugute halten muss man Thorn.Eleven jedoch, dass sie nicht auch noch die große Mitleids-Pathos-Show mit Chad Kroeger als Produzenten und Aaron Lewis als Gagschreiber abziehen und ihre Texte nicht in einen schmierigen Schleier aus Schleim und Tränen hüllen. Keine großen Ausfälle, aber eben auch selten mehr als kleine Einfälle. Die schweren Gitarren regieren, die Atmosphäre ist stimmig, die Produktion sauber geraten und Radio Antenne in weiter Ferne. Letzteres haben Thorn.Eleven zumindest Nickelback voraus. Der ganze Gram ist in seiner Gesamtheit unter dem Strich jedoch nur schwer zu vermitteln. Andererseits: Rund 70 Millionen Menschen werden nicht nachfühlen können, wie belastend es sein muss, unter chronischem Öttinger zu leiden. Was also wissen wir schon von wirklichem Schmerz?
Highlights & Tracklist
Highlights
- Quicksand
Tracklist
- Intro
- Quicksand
- Summer
- Circles
- Miracle
- Lost
- Someday
- Misery
- Aidin
- Solo
- Control
- Do you miss me
Referenzen
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