System Of A Down - Toxicity
Columbia / SonyVÖ: 27.08.2001
Am Rande des Abgrunds
Eine Stadt, in der Träume wahr werden. In der aber Träume nicht nur in der Nacht auftauchen, sondern auch bei Tageslicht alles unwirklich erscheint. In der die Illusion zum täglich Brot gehört und Wirklichkeit und Fiktion eine permanente Verschmelzung eingehen. Und in der manche schöne Rose bis in die Wurzel vergiftet ist. Vergiftet von Haß, Gewalt und Täuschung, vergiftet von einer Politik, die sich nicht mehr an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, sondern nur nach den Regieanweisungen der PR-Abteilungen läuft. Eine Stadt auch, die Musik hervorbringt, die sich nicht um irgendwelche Plastikimages schert, sondern roh und ungehemmt auf den Punkt kommt.
Auf "Toxicity", dem zweiten Album der in Los Angeles beheimateten Armenier von System Of A Down, erwartet einen eine unglaublich hohe Anzahl dieser heftigen, druckvollen und vor allem schmerzhaften Tritte in den Allerwertesten. Doch nicht nur das - einige Streicheleinheiten für die Ohren sind inbegriffen im schillernden Strauß hochgiftiger Blumen, den das Quartett dem Hörer mit höhnischer Fratze in die Hand drückt. Erworben an einem Blumenstand inmitten des Schmelztigels der Illusionen.
Peitschende Riffs wie bei Slipknot, ausgefallene Vokalverrenkungen, die derart überzeugend höchstens Mike Patton umsetzen könnte und ein gut gefüllter Flakon voller eigener Duftmarken setzen sich zusammen zu einem vielschichtigen Mosaik, das unverkennbar nach System Of A Down und weit von einer Kopie kurzlebiger Sternchen entfernt klingt. So finden sich Track für Track prachtvolle Einschübe, atemberaubende Rhythmustornados und Gitarrengewitter, die den Hörer verstören und mit offenem Mund zurücklassen.
Was das Quartett alleine in "Psycho" veranstaltet, mag exemplarisch für den Rest des Albums stehen. Eine treibende Grundlinie, die den Song zusammenhält, wird unterbrochen von ruhigeren Parts und packenden Gitarrenspielereien, die die Konkurrenz auf die unwürdigen Knie sinken läßt. Ähnliches geschieht beim herausragenden "Needles", das um Textzeilen wie "I'm sitting in my room with a needle in my hand" mehr Tempowechsel und Einfälle sammelt, als die Hirne manch anderer angesagter Band in einem ganzen Leben auf ein Notenblatt zaubern könnten. Und wenn in "Chop Suey!" Sänger Serj Tankian zwischen dröhnenden Klängen plötzlich zur harmonischen Gitarre mit glasklarer Stimme in "I cry when angels deserve to die" einsetzt, um wenig später ein ungehemmtes "Wake up!" herauszubrüllen, ist endgültig gewiß: System Of A Down setzen neue Maßstäbe, nicht zuletzt dank der Zusammenarbeit mit dem Produzenten Rick Rubin, der es versteht, Bands nicht seinen Stempel aufzudrücken, sondern ihren eigenen noch zu schärfen.
Dabei klingt die Härte und die Wut, die System Of A Down herauspeitschen, zu keinem Zeitpunkt nach dem Gejammer eines kleinen Bubis, der, falls er denn überhaupt mitmachen durfte, beim Fußball immer nur im Tor stehen mußte. Die Überzeugung, daß die Welt bei weitem nicht so rosig ist, wie uns Hollywoods dauerlächelnden Werbepüppchen einreden wollen, ist auf "Toxicity" allgegenwärtig und - was das wichtigste ist - mit einer unglaublichen Fülle an Substanz versehen. In dem ein oder anderen Blumenstrauß steckt manchmal auch eine Waffe. A weapon called a word.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Needles
- Chop suey!
- Toxicity
Tracklist
- Prison song
- Needles
- Deer dance
- Jet pilot
- X
- Chop suey!
- Bounce
- Forest
- Atwa
- Science
- Shimmy
- Toxicity
- Psycho
- Aerials
Im Forum kommentieren
Dumbsick
2024-02-29 19:49:30
Geht mir ähnlich wie Hoschi. Vor 20 Jahren war das der Kracher, aber heute höre ich die kaum bis gar nicht mehr.
Hoschi
2024-02-29 17:28:06
Finde auch, dass das Album irgendwie schlecht gealtert ist.
Klar, 1-2 Songs gehen immer(gerade chop suey) aber auf Albumlänge nicht mehr ganz so grandios.
Da ist das Debüt aus meiner Sicht deutlich besser gealtert und auch klar besser.
Blanket_Skies
2024-02-29 15:17:19
Großes Album. Aber für mich extrem schlecht gealtert. Eine der wenigen Bands, die ich aus meinem Shuffle entfernt hab.
Arne L.
2024-02-28 23:40:12
Ja ne, 10/10.
nagolny
2023-03-10 15:30:39
Grooves teilweise zu simpel, Stimme teilweise zu anstrengend, Stilistik allerdings herrlich abwechslungsreich und eigenwillig, guter Albumfluss. 8 / 10
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