Neko Case - Middle cyclone

Anti / SPV
VÖ: 27.02.2009
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Entgegen dem Uhrzeigersinn

Es dreht sich etwas in Amerika. Nein, damit ist ausnahmsweise mal nicht der Obama-Hype gemeint. Ebenso wie im Rheinland hat die fünfte Jahreszeit wenig mit Spaß zu tun: Die Hurricane Season peitscht jahraus, jahrein Wirbelstürme über das Land. Kaum etwas zeigt die begrenzten Möglichkeiten der Supermacht besser auf, als ihr Versagen im Selbstschutz gegen die entfesselte Natur. Ausgerechnet der zerstörerischen Mitte solcher Stürme, dem "Middle cyclone", widmet Neko Case ihr neues Album.

Nun braucht man nicht zu erwarten, die Alt.-Country-Chanteuse würde sich jetzt mit Lärm zurückmelden. Wie das großartige "Fox confessor brings the flood" verbreitet auch "Middle cyclone" eher sanften Zorn und behutsame Weltuntergangsphantasien. Zum Start erzählt Case zu den vibrierenden Gitarren und gezupften Streichern von "This tornado loves you" mit zärtlichen Metaphern vom Klimawandel. Das spukende "Polar nettles" droht zu kryptischem Orchester mit dem Ungewissen, dass "Someday soon" auf uns zukommen wird, und auch "Vengeance is sleeping" verbreitet subtile Alpträume. Case kreuzt Folk, Gospel, Country, Rock, Jazz und Animalismus, und stets knarrt die zugige Hütte mitten im Nichts, in der "Middle cyclone" aufgenommen wurde. Zu derlei ökologischen Ansinnen passt denn auch keine Coverversion besser als der alte Sparks-Schmachter "Never turn your back on Mother Earth".

Cases Punk-Sozialisation tritt dabei im großen Gemeinschaftsgefühl von "Middle cyclone" zu Tage. Statt die Fleischwerdung des Messias Obama zu preisen, legt sie die Verantwortung jedem einzelnen in die Hand. So verteilt sie die Aufgaben auf viele Freunde: Mit Garth Hudson (The Band), Steve Berlin (Los Lobos), Barry Mirochnick (Great Aunt Ida), Tom V. Ray (The Bottle Rockets) und den New-Pornographers-Kollegen Carl Newman und John Collins sind diverse Veteranen an Bord. Im verworrenen Schwelgen von "Fever" zupft M. Ward an seiner Akustischen, und auch die Calexico-Connection hinterlässt ihre Spuren: Joey Burns bedient hier von Bass bis Cello so manches große Saiteninstrument, und beim schattigen Shuffle "Red tide" frischen Howe Gelb und John Convertino alte Giant-Sand-Erinnerungen auf.

Besondere Freude bereiten aber die Arrangements von Case und ihrem Partner Paul Rigby: Immer wieder schweben feine Details durch die Songs. In "People got a lotta nerve" perlt seine Zwölfsaitige, als wolle er die Byrds wiederbeleben (oder wenigstens bei R.E.M. einsteigen). Das Titelstück ist mit seiner Spieluhr die traurige Schwester eines Wiegenliedes, das hübsche "Fever" taumelt von einem Takt zum nächsten, und "Prison girls" gibt mit reichlich Moll das große Drama. Dabei braucht Case keine ausufernden Epen, um zu bezaubern: Wenn sich "Magpie to the morning" zu Ende seufzt, sind noch keine drei Minuten vergangen, und manchmal reichen Case gerade einmal 1:46 Minuten wie in "The next time you say forever". Trotz der etwas spinnerten Texte geht es hier um ganz existentialistische Gefühle. Verzweiflung, Rache, Liebe. Und wenn in "Marais la nuit" fast 32 Minuten lang die Frösche quaken, erahnt man das Ende der Zivilisation. Eines ist klar: Früher oder später gewinnt die Natur. Mit "Middle cyclone" jedoch gewinnt erst einmal Neko Case.

(Oliver Ding)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The tornado loves you
  • Middle cyclone
  • Fever
  • Magpie to the morning

Tracklist

  1. The tornado loves you
  2. The next time you say forever
  3. People got a lotta nerve
  4. Polar nettles
  5. Vengeance is sleeping
  6. Never turn your back on Mother Earth
  7. Middle cyclone
  8. Fever
  9. Magpie to the morning
  10. I'm an animal
  11. Prison girls
  12. Don't forget me
  13. The pharaohs
  14. Red tide
  15. Marais la nuit
Gesamtspielzeit: 73:52 min

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