Fennesz - Black sea
Touch / Rough TradeVÖ: 30.01.2009
Nichts passiert
Dinge, die sich nicht in Worte fassen lassen, beschreibt man ja meistens am besten, indem man sie einfach in Worte fasst. So wie Christian Fennesz, der über sein neues Album schreibt: "Christian Fennesz used acoustic and electric guitars, synths, electronics, lloopp and computers." Da legt man doch gerne noch ein bisschen Feuerholz nach: "Black sea" ist sein erstes Album seit 2004, auch wenn die vier Jahre danach dank diverser Singles, Live- und Gemeinschaftsplatten nicht weniger betriebsam waren als die anderen zehn seiner bisherigen Solokarriere. Der Wiener mischte außerdem bei Trent Reznors Buchstabensuppe namens "Y34RZ3R0R3M1X3D" mit, machte sich sowieso einen Spaß daraus, die Musik diverser Lautsprecher-Bands per Remix zu unterwandern und lässt all das nun souverän an seinem vierten Studioalbum vorbeilaufen. Ist doch ganz einfach.
"Black sea" funktioniert nach der bewährten "Sachtes Laptop-Rauschen plus verlorenes Gitarrenpicking"-Formel; nur dass das natürlich keine Formel im herkömmlichen Sinn ist, sondern auch hier wieder erweitert und modifiziert wird, bis eine weitere Fennesz-Platte fertig ist, die mit unverrückbarem Selbstverständnis und -bewusstsein auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig den Tanz verweigert. Spuren aus Noise und Gesang, die sich ins letzte Drittel des Vorgängers "Venice" eingeschlichen hatten, müssen diesmal einer Ökonomie weichen, die jedem Track einerseits mehr Zeit zur Entfaltung und andererseits weniger Spielraum zum Ausleben gibt. Oder anders gesagt: "Black sea" ist eine Platte, auf der strenggenommen überhaupt nichts passiert. Ein Zeugnis scheinbarer Ereignislosigkeit, das sich besonders für Leute lohnt, die gerne mal genauer hinhören.
Das in dieser Reihenfolge flirrende, dröhnende und dann wieder flirrende Intro zu Album und Titelstück ist bereits einer der agilsten Momente hier - anschließend verläuft die Platte in flächiger und Flächen deckender Vorbestimmtheit, erstarrt mit dem Savoy-Grand-Gitarrenmotiv aus "Black sea" in eingefrorener Schönheit und bricht das Grundrauschen von "The colour of three" mit den unterschwelligen Seitenhieben seiner programmierten Percussion auf. "Grey scale" richtet die Zeitlupe wieder auf akustisch Umrissenes und gedenkt der erreichten Albummitte mit einer sinnvoll platzierten Schweigeminute. Seite 2 ist auf "Black sea" mehr Versicherung und Vertiefung als weitreichende Erneuerung. Ein 25-minütiger Zugabenblock, der das Tempo der Platte infrage zu stellen scheint, aber eigentlich nur sehr geduldig auf seine finale Krönung mit "Saffron revolution" hinausläuft. "Black sea" wird mit diesem Track zusammengefasst und ins Ungewisse entlassen. Sicher ist danach nur noch, was man in den nächsten 52 Minuten tun wird.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Black sea
- The colour of three
- Saffron revolution
Tracklist
- Black sea
- The colour of three
- Perfume for Winter
- Grey scale
- Glide
- Vacuum
- Glass ceiling
- Saffron revolution
Referenzen
Spotify
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