Enablers - Tundra
Exile On Mainstream / Southern / SoulfoodVÖ: 23.01.2009
Dem Rezitör ist nichts zu schwör
Geigen, Klaviere, Trompeten? Überflüssiger Flitter und Tand! Songbauten zwischen ABBA, Neil Young, Miles Davis und Sepultura? Zuviel des Guten und zu wenig des Speziellen. Gar ein geschliffener Singsang, der zwischen dreieinhalb Oktaven alle Register zieht? Im Mathrock schon längst vergebene Liebesmüh. Wo die Genre-Väter Slint Intensität auch und vor allem durch ihren distanziert gesprochenen Gesangsvortrag festzurrten, da schmücken sich Enablers seit ihrem Debüt mit einem waschechten Underground-Literaten, der gar nicht anders kann, als zu erzählen, bis die Waschweiber die Kernseife strecken. Zwischen Pro- und Exklamation, gestenreichem Aufschrei und zerrütteter Haarrauferei heftet sich Pete Simonellis Blick dabei stets gen Tischplatte: Der Prototyp des echauffierten Rezitörs. Die Musik der Enablers macht auf "Tundra" dazu mindestens ebenso dicke Backen.
"Kosovo" und "The achievement" sind solch grimmige Bastarde, aus denen bisher nur die verblichenen June Of 44 das volle Potential schöpfen konnten. Die Gitarren züngeln, schlieren und knattern, wenn sie im Verzerrerkanal aufgebockt werden, und entrollen sich in eine düstere Flächigkeit, die von Millionen kleinster Pixel zerknistert wird. Dennoch stechen immer wieder Riff-Betonungen aus diesem schwarzen Rauschen heraus, wie wütende Blobs, die kurz aufkochen und gleich wieder zusammenfallen. Die Konsistenz dieser Gesten ist ein durchaus neues Element auf "Tundra". Gefielen sich die Enablers bisher vorwiegend darin, den Texten ihres Vorstehers Atmosphäre und Brisanz zu verleihen, so wühlt und hakelt es nun unablässig, ringt in dem Getümmel nach Luft und um Aufmerksamkeit. Der Sound ist schludrig, verwaschen, salopp, die Konstrukte und Betonungen jedoch sind glasklar, unerschütterlich und perfekt arrangiert.
So ist Simonellis Lyrik nicht mehr das große Gegentempo, auf das die Musik zu jeder Sekunde begrenzt werden müsste. Die Songs organisieren sich vielmehr selbst zwischen mehreren Geschwindigkeiten, zittern in den Gitarren eindeutig nach vorne, werden von melancholisch-gegenläufigen Zupfpartituren zerklüftet, ziehen mit seitwärts im Offbeat punktlandenden Drumwirbeln für Sekunden davon. Daran kann auch Simonelli sein Temperament expandieren und das Mütchen wieder kühlen. Oft schraubt er sich gallig nach oben, mutiert vom brummelnden Patheten zum pistolenschwingenden Prediger und trifft in seinem gehetzten Vortrag sogar die ein oder andere musikalische Betonung genau ins kathartisch-knochenzitternde Mark - doch auch das meist derart schnell und beiläufig, dass sich der volle Effekt erst nach dem dritten Anlauf verdeutlicht.
Das alles ist konzentrierte Arbeit an der eigenen Nachhaltigkeit, und "Tundra" geht hiermit den genau richtigen Weg, ohne auch nur einen Fetzen seiner inneren Spannung zu verlieren. Selbst wenn die Schlussakte von "The destruction most of all" und "Tundra" mehrstimmig gekontert werden oder "Four women" im Mariachi-Takt vor sich hin knurrt, geben Enablers noch lange nicht alles von sich Preis. Einen echten Chorus etwa basteln sie nun wahrlich nicht. Vielmehr wogen hier Klagegesang und Aufruhrgeschrei unter dem Deckmantel der Einhelligkeit wie Geisterschiffe auf hoher See. "Tundra" schafft es, die multiplen Geschwindigkeiten seiner Protagonisten zu einem D'accord zu vereinen. Kein Gramm zuviel, kein Pfund zu wenig.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Tundra
- The achievement
- Kosovo
Tracklist
- A blues
- The destruction most of all
- Carriage
- New moon
- Februaries
- Tundra
- The achievement
- Kosovo
- Bells
- Four women
Referenzen
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- Enablers (11 Beiträge / Letzter am 28.04.2011 - 12:51 Uhr)