Stun - And at least you dance

Sister Jack / Our / Cargo
VÖ: 09.01.2009
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Brühwürfel

Das Jahr 2009 wird gepflastert sein mit schlechten Nachrichten. Sagt zumindest Angela Merkel - und wenn die es nicht weiß, wer dann? Neben den bekannten Tiefpunkten irdischer Existenz - Globalisierung und Klimawandel - erwarten uns nicht nur die größte Finanz-, sondern natürlich auch immer noch die größte Musikkrise seit Jesu Geburt und obenedrein noch das Comeback von East 17. Zeit also, um einmal inne zu halten und sich auf die guten Jahre zu besinnen. Auf die mittleren 1990er zum Beispiel, als der so genannte Indie- oder Alternative-Rock im Zenit stand. Als Emo noch nicht mit schlecht geschminkten Teenagern und abstrusen Beiträgen bei RTL Explosiv in Verbindung gebracht wurde. Als wir noch aus der Toilette trinken konnten, ohne Ausschlag zu bekommen.

Stun gehören auch zu diesen Ewiggestrigen, die ihre Köpfe ohne Rücksicht auf Verluste lieber immer und immer wieder in dieselbe ab- und eingesessene Schüssel drücken. Sie wissen schließlich bestens, was in der Brühe schwimmt, schließlich schrammen zwei Songs des Debütalbums der Bremer an einem Griff ins Klo so gerade eben vorbei. "P-T-R" will zunächst überhaupt nicht in Fahrt kommen und klaut dann auch noch ganz offenherzig bei U2s "With or without you". Auch "The need to walk" findet über eine melodieselige, aber letztendlich leider nur bemühte Vorstellung nicht hinaus.

Genug gemeckert: Neben diesen wenigen negativen Auffälligkeiten sind es vor allem die schräg verzerrten Gitarren, die in wunderbaren Erinnerungen schwelgen lassen. Geschmeidige Melodien, die beizeiten sehr lange brauchen, um sich aus dem Song- und Feedbackgewitter zu entschälen. Der Arsch in der Hose, um zwischen einem poppigeren Dreiminüter wie "Get out" und dem elfminütigen Soundklotz "One" alles abzugrasen, was die Jugend von Pavement bis zu den Smashing Pumpkins so unbedingt liebenswert machte. Zu guter Letzt drängt noch der Abschlusstrack "Pack your bags" wie ein alter, ans Herz gewachsener Placebo-Song ohne Unterlass nach vorne und kämpft sich durch bis zur finalen Explosion. Zur Ruhe nach dem Indie-Sturm erklingen aus der Entfernung die Schreie vorbeifliegender Möwen.

"And at least you dance" ist der musikalische Blick in ein leicht vergilbtes Fotoalbum. Die schönen, pubertären Zeiten schwirren vor den Augen herum. Die Parks, das Bier, die verschwitzten Konzerte in viel zu engen Clubs. Die Erinnerungen verschmelzen zu einem stimmigen Gesamtbild. Ob tatsächlich alles so gülden war? Egal, denn es passt hier und jetzt. Manchmal kann so ein Blick nach hinten ja auch großer Schritt nach vorne sein. Ein Tipp für 2009 muss also lauten: weniger Radio und öfter Stun hören. So zieht zumindest das größte Übel des kommenden Jahres geräuschlos vorbei. Dann stört auch die Rückkehr von East 17 nicht weiter.

(Kai Wehmeier)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Special
  • One
  • Get out

Tracklist

  1. Special
  2. P-T-R
  3. We are cute
  4. One
  5. The need to walk
  6. Teenage freakshow
  7. Into the new
  8. Get out
  9. Wait
  10. Pack your bags
Gesamtspielzeit: 50:22 min

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