The Flaming Lips - Christmas on Mars
WarnerVÖ: 14.11.2008
Die Vagina-Dialoge
Sigmund Freud hat mal sinngemäß gesagt, dass es durchaus okay sei, in allem eine Vagina zu sehen, solange man danach nicht heimgeht und seinen Vater absticht, um in Ruhe eine Nummer mit Mutti schieben zu können. Stattdessen empfehlenswert: Rockband gründen, Löschpapier lutschen, weißen Anzug kaufen, Haus bauen, Garten herrichten und dort einen Film drehen, dessen Kulissen mehr oder weniger vollständig aus Pappmache-, Wellblech-, Eierkarton- und Alufolien-Vaginas bestehen. Wayne Coyne hat sich das alles sehr zu Herzen genommen, und als es kurz nach der Jahrtausendwende keine Musik mehr gab, die er mit den Flaming Lips erfinden konnte, widmete er sich eben "Christmas on Mars", seinem Lowest-Budget-Direct-to-DVD-B-Movie-Lebenswerk. Herausgekommen ist dabei nicht nur die filmische Bizarro-Version von "Chinese democracy", sondern auch der größte Zelluloid-Tribut an weibliche Geschlechtsmerkmale seit Russ Meyer seinen Häschen in den ewigen Jagdgründen nachstellt.
Nicht der Reihe nach: "Christmas on Mars" gibt sich große Mühe, die Geschichte einer Raumstation mit Lagerkoller zu vertuschen, auf der einem nach dem anderen die Sicherungen durchbrennen. Der selbst nicht mehr ganz taufrische Major Syrtis (Flaming-Lips-Gitarrist Steven Drozd) will eine Weihnachtsfeier organisieren, sein hemdenloser Commander fackelt ein leidenschaftliches F-Bombenfestival ab, der Stationspsychiater (Hollywood-Halbschwergewichtler Adam Goldberg) hat den größten Schatten von allen, und als ein Mitglied der Mannschaft Selbstmord begeht, taucht auch noch ein grüner Außerirdischer (Coyne himself) auf. Die Botschaft dahinter ist so menschlich und hoffnungsvoll wie alles, was die Flaming Lips jemals gemacht haben - selbst wenn hier eine Marschkapelle mit Vaginaköpfen über ein Baby trampelt. Die Umsetzung aber ist locker der größte Schlenker, den Coyne und seine Männer seit Jahren gewagt haben.
"Christmas on Mars" ist nicht die Spielfilmversion eines typischen Flaming-Lips-Konzerts mit Konfetti, Seifenblasen, Kunstblut, Tierkostümen und begehbaren Wasserbällen. Der Film wurde abgesehen von einigen Schlüsselszenen in schwarz/weißen Bildern mit Handykamera-Auflösung gedreht; er ist eine entschieden trostlose Angelegenheit, nur in kurzen Passagen witzig und gar nicht darauf aus, als linear nachvollziehbare Geschichte zu funktionieren. Stattdessen wird er zum Hintereingang in Coynes absurden, ekelerregenden, mitfühlenden, exzellent beknackten Ideenkreislauf - kein Film also im klassischen Sinn, sondern ein Bildband direkt aus einem der geräumigsten Großhirne der Popmusik. Der dazu komponierte Ambient-Score spielt in "Christmas on Mars" zwar keine große Rolle, liegt aber trotzdem auf CD bei. Wir reden hier schließlich von einer Rockband.
Aufgefahren werden dafür Engelschöre, Harfen, Sphärenklänge und alles, was sonst noch irgendwie kosmisch klingt. So wird der Soundtrack ironischerweise zum einzigen klassischen Science-Fiction-Element des Films - ein Hinweis vielleicht darauf, dass sich die Flaming Lips noch immer am präzisesten durch Musik ausdrücken können. Dann wiederum: Das große Drama, das von "The gleaming armament of marching genitalia" nahe gelegt wird, gibt "Christmas on Mars" gar nicht her, und die tapsige Melodie, auf der "The secret of immortality" ins Verderben schleicht, täuscht einen Spieltrieb vor, den der Film ebenfalls zu unterdrücken versucht. Es muss wohl so sein, dass nichts an diesem Projekt zusammen passt, einen vordergründigen Sinn ergibt oder sonst wie einfach wäre. Wayne Coyne hat hierfür schließlich sieben Jahre lang auf Barbecue-Partys in seinem Garten verzichtet.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The gleaming armament of marching genitalia
Tracklist
- DVD 1
- Christmas on Mars
- CD 1
- Once beyond hopelessness (1)
- The distance between Mars and the Earth part 1
- The horrors of isolation: The celesstial dissolve, triumphant hallucination, light being absorbed
- In excelsior vaginalistic
- Your spaceship comes from within
- Suicide and extraordinary mistakes
- The distance between Mars and the Earth part 2
- The secret of immortality: This strange feeling, this impossible world
- The gleaming armament of marching genitalia
- The distress signals of celestial objects
- Space Bible with volume lumps
- Once beyond hopelessness
Referenzen
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