Lia Ices - Necima
Rare Book Room / SoulfoodVÖ: 31.10.2008
Erstes Date
Es ist zunächst nur ein unbestimmtes Gefühl, doch man kennt Lia Ices. Nicht persönlich, schon weil Brooklyn für den spontanen Nachbarschaftsbesuch dann doch etwas zu weit entfernt ist. Auch nicht von ihren vergangenen Alben, denn "Necima", dieses poetische Anagramm von "cinema", ist die erste Platte der gelernten Pianistin und Sängerin. Vielleicht rührt der Eindruck auch von Produzent Nicolas Vernhes her, der schon Animal Collective und Silver Jews ins rechte Licht zu rücken wusste. Am Wahrscheinlichsten aber ist, dass sich Ices mit den sanften Klavierklängen und dem melancholischen Gesang ihres Debüts so nahe an ihre Schwestern im Geiste schmiegt, dass sich das Gefühl aufdrängt, diese Stimme, diesen zurückgenommenen Avantgarde-Pop in seiner ganzen Breite und Tiefe, schon vorher so oder zumindest so ähnlich gehört zu haben.
So zeigen sich im hübschen Gesicht von Ices viele bekannte Konturen: In der fallenden Klavierfigur des Refrains von "Half life" nimmt es die Züge der jungen Tori Amos an, nur ohne deren Wut. Im fließenden Lounge-Sound von "Healed" blitzt das Antlitz von Frida Hyvönen auf, und mit der üppigen Streicherunterstützung von "Many moons" meint man plötzlich, ein Stück weit Joanna Newsom zu erkennen. Die luftigen Passagen aus Klavier und Gesang werden ergänzt durch dezente Percussion, Oboe, Gitarre oder eben Streicher; gelegentlich wirken dadurch die ruhigen Momente im direkten Kontrast ein wenig verloren. Manche Nummern sind im Wortsinn einfach gefällig, gefallen ohne große Aufregung, während "(Un)chosen one" oder "Twins" sich etwas mehr Dynamik zugestehen und ihren Instrumenten beim zwischenzeitlich Hochschaukeln zusehen. Dazwischen und davor hört man Songs, die nicht mehr wollen, als den Raum mit Musik zu füllen.
Diese völlige Abwesenheit von Selbstdarstellerei und Sendungsbewusstsein macht "Necima" zu einem sehr angenehmen Album. Dass die Erregungskurve selten nach unten oder oben ausschlägt und sich erst nach und nach überhaupt einzelne Songs aus dem homogenen Werk herauskristallisieren, macht sich zwar bemerkbar, allerdings erstaunlicherweise nicht negativ. Eher im Gegenteil: Dass hinter den zarten, melancholischen Weisen von "Necima" die Künstlerin Lia Ices steht (deren wahrer Nachname anders lautet), nimmt man kaum wahr. So bleibt alle Aufmerksamkeit an der Musik hängen, die aus der zweiten Reihe des Musikgeschäfts hier mehr vermittelt, als es jede Hochglanz-Biographie mit Pete-Doherty-Reenactment je könnte. Ein Kennenlernen nach Maß, das keine Seite überfordert.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Medicine wheel
- Many moons
- (Un)chosen one
Tracklist
- Medicine wheel
- Half life
- Reason in remain
- Healed
- Many moons
- (Un)chosen one
- Twins
- You will
Referenzen