The Cure - 4:13 dream
Suretone / Geffen / UniversalVÖ: 24.10.2008
Robert Smith wundert sich über die Liebe
Mal ehrlich: Im Grunde ist Robert Smith eine jammernde Nervensäge mit desaströser Frisur. Gekommen, um zu stressen. Doch kaum ist er einmal weg und seine Band widerruflich aufgelöst, werden beide auch schon wieder schmerzlich vermisst. Es wird wohl daran liegen, dass man bei The Cure weiß, was man hat: jedes Mal was Neues bzw. Anderes, und das nicht nur in den Achtzigern und Neunzigern, sondern auch in den Nuller Jahren. Schwermut in Breitwandformat, gelegentlich ein lustig poppiges Klöpferchen wie "Cut here", um etwaiger Kritik an der x-ten Best-of-Kopplung das Maul zu stopfen, und zuletzt mit "The Cure" ein zornig um sich beißendes Dunkelrock-Ungetüm mit Stachelhalsband. Die ab Mai auf den 13. jedes Monats verteilten, harmonischen Vorab-Singles zum ebensovielten Studioalbum ließen aber nur für ungeübte Hörer vergleichsweise leichte Kost vermuten.
Denn natürlich lässt eine oftmals als Fürsten der Dunkelheit apostrophierte Band es nicht einfach bei solchen Offensichtlichkeiten bewenden. Im Gegenteil: Federnde Leichtigkeit und bleierne Schwere, Freudentanz und Jammertal sind nach wie vor wenig mehr als ein Hinhören voneinander entfernt. Wo Smith zunächst "Oh I love I love love what you do to my lips / When you suck me inside and blow me a kiss" jubiliert, ist eine Zeile wie "I won't try to bring you down about my suicide / If you promise not to sing about the reasons why" garantiert nicht weit. Auch wenn es ein cleverer suggestiver Kniff ist, ein Stück über den Umstand zu schreiben, dass man eben nicht über Selbstmord singt. Rechts blinken, links abbiegen - eine Spezialität im The-Cure-Universum.
"The reasons why" zupft dann auch einen kuscheligen New-Order-Bass und gibt vordergründig einen gemütlichen Pop-Schunkler - wäre da nicht die dräuende Schlussfolgerung. "Underneath the stars" ist gleich zu Anfang das zarteste Liebeslied der jüngeren Bandgeschichte, obwohl es mit schleppendem Gitarren-Wave, Abschiedsstimmung und jenseitigem Glöckchengebimmel kokettiert. Gute Laune und Glück ohne Reue blitzen nur selten so offensichtlich auf wie bei "The only one", der liebestrunkenen ersten Single mit "Just like Heaven"-Wohlfühlgarantie, oder beim beweglichen "Freakshow", wo sogar flüchtig The Ting Tings und The Pipettes vorbeihüpfen. Dass der Song nach gerade einmal zweieinhalb Minuten radikal abgewürgt wird, versteht sich fast von selbst. Zu einfach wollen The Cure es dem Hörer schließlich nicht machen.
Und haben damit auch in der zweiten Hälfte des Albums über weite Strecken Recht, obwohl sich The Cure hier alle Mühe geben, mit greller Psychedelia, störrischer Eingängigkeitsverweigerung und stellenweise absichtlich unakzentuierter Produktion die vorherigen Harmoniesignale wieder niederzumachen. "The perfect boy" geht gerade noch als Popsong durch, beklagt aber die trügerische Natur der Liebe, die sich meist nachträglich als ein Haufen Bockmist entpuppt. "Sleep when I'm dead" hat das Zeug zum Clubhit mit Pfeffer im Arsch, droht jedoch mit seiner gereizten Spannung jederzeit in einen Alptraum auszuarten. "It's over" macht zum Schluss mit Basslauf und Gitarrenlärm noch einmal mächtig Druck, während Smith sich die letzten Sirenenreserven von den Stimmbändern pult - bis er spätestens da wieder die alte Nervensäge und "4:13 dream" schlussendlich eines der besseren Alben seiner Band ist. Denn so viel verändert hat sich gar nicht: The Cure jammern auf hohem Niveau. Auch wenn es manchmal weh tut, so soll und muss das halt so sein.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Underneath the stars
- The only one
- Sleep when I'm dead
- It's over
Tracklist
- Underneath the stars
- The only one
- The reasons why
- Freakshow
- Sirensong
- The real Snow White
- The hungry ghost
- Switch
- The perfect boy
- This. Here and now. With you
- Sleep when I'm dead
- The scream
- It's over
Im Forum kommentieren
jo
2023-03-06 22:43:32
geschmäcker sind verschieden und so.
Genau. Finde ich ebenfalls toll, dass das bei der Band dennoch funktioniert.
Davon abgesehen noch zu deiner Frage: Also, interessanterweise stimme ich dir sowohl bei "Wild Mood Swings" als auch bei "4:13 Dream" zu ;). Ersteres zwar natürlich nicht besser als "Wish", aber dass sie (und "4:13 Dream") unterschätzt ist (sind), unterschreibe ich.
Also, mal davon abgesehen, dass sich auf "Disintegration" wohl sehr viele einigen können.
etienoir
2023-03-06 22:34:07
achso - wie stehst du denn zur wild mood swings?
etienoir
2023-03-06 22:23:34
okay, ja. dann kann ich das einschätzen. haben wir wohl einen völlig unterschiedlichen zugang zur band. geschmäcker sind verschieden und so.
macht the cure umso größer, dass sie es schaffen, aus verschiedenen perspektiven wertgeschätzt zu werden.
jo
2023-03-06 22:04:25
spiegelt sich übrigens live immer sehr gut ab (oder zumindest tat es das in den 90ern / frühen 2000ern, hab sie seitdem nicht mehr gesehen): auf festivals überwiegend dieser popkram, auf einzelkonzerten fast gar nicht. also glaub ich schon, dass ich unter cure-fans diese meinung nicht ganz exklusiv habe ... ;)
Na, ich weiß nicht. Wenn man da die Setlists der letzten Jahre vergleicht, weiß die Band schon, dass sie eher "beide Lager" bedienen muss ;).
Und ja, ich mag eher die poppigen The Cure, bin aber dennoch großer Fan von "Disintegration". "Pornography" hingegen lässt mich komplett kalt und langweilt nur.
etienoir
2023-03-06 21:09:01
spiegelt sich übrigens live immer sehr gut ab (oder zumindest tat es das in den 90ern / frühen 2000ern, hab sie seitdem nicht mehr gesehen): auf festivals überwiegend dieser popkram, auf einzelkonzerten fast gar nicht. also glaub ich schon, dass ich unter cure-fans diese meinung nicht ganz exklusiv habe ... ;)
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