The Acorn - Glory hope mountain

Bella Union / Cooperative / Universal
VÖ: 24.10.2008
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Every man's land

Was auch immer Landstriche mit Menschen anstellen, es scheint doch oftmals zu viel oder zu wenig zu sein. So auch bei The Acorn. Ihr Debüt "The pink ghosts" zollte Tribut an die Heimat, Ottawa, Kanada. Und zerfaserte nach allen Seiten. "Glory hope mountain", der Nachfolger, stellt nun keine Fragen mehr. Er ist unfassbar selbstbewusst und hat den Folk nicht nur verinnerlicht, sondern ihm gleich mal die Ethno-Flausen ausgetrieben. Dazu besingt Rolf Carlos Klausener die wechselvolle Biographie seiner Immigranten-Mutter zwischen Hommage und Investigation, Hoffnung und Verzweiflung, Wahrheit und Illusion, Indie-Suselei und Soul-Energie. Ein Konzept, das diesmal gottlob nicht tragend sein will - obwohl perfekt eingepasst, ist es beinahe die profanste Geschichte, die "Glory hope mountain" zu erzählen weiß.

Denn das Album definiert sich vor allem durch eine Rhythmik, die sich aus vielen Quellen zusammenzieht. So versammeln sich auf "Flood" oder "Crooked legs" Marimbas, Congas, tiefe Pauken und hohe Bongos mit den Schlagzeugfiguren zu Oden der Unbeugsamkeit. Akustikgitarren, Banjos und Ukulelen zupfen, slappen und hämmern dazu ebenso rhythmisch informiert, bereiten aber auch den Boden für heraufflackernde Flöten- und Trompetenstöße, unter deren Ägide sich die Songs harmonisieren und melodisch zurechtschunkeln. Aus diesem Prinzip heraus landen auch "Hold your breath" und das mit einem "Love is in the air"-Basslauf kokettierende "Low gravity" ihren Punch: Alles ist Rhythmus, alles ist Prägnanz, wird aber mit- und gegeneinander so lange verschoben und präzisiert, bis sich ein innerlich zuckender Harmoniebrocken gebiert, um Ordnung ins Chaos und die Hymne in die Songs zu bringen. Im Ergebnis scheint "Glory hope mountain" beständig zu kondensieren, sich zwischen Innen und Außen der Songhülle auszutauschen. Percussions und Melodien werden ausgespült, imprägnieren sich gegenseitig und perlen aneinander ab. So entsteht eine ganz eigene Atmosphäre zwischen Hoch- und Tiefdruck - eine Wetterfront, ebenso Ungetüm wie gütiger Seelenschaukler.

So etwas gelingt nur, wenn auch auf die Soundstruktur besonderer Wert gelegt wird. Und in der Tat: Mindestens ein Ohr horcht hier ständig nach dem Herzschlag der Songs, um sie sorgsam auf die Ideallinie zu takten. Die vergleichsweise behutsamen "Even while you were sleeping" und "Glory" wissen deshalb ganz genau, dass Klavier, Cello und schroff aufjaulende Prog-Gitarren einen anderen Grundbau brauchen, ohne dass vom eigentlichen Prinzip abgewichen werden dürfte. Ebenso "Antenna", das seinem Indie-Rock-Riff zwar Luft macht, es dann aber doch an der kurzen Leine hält. Und selbst wenn es auf dem Rest des Albums eher bedächtig, ja traditionell zugeht, so ist der Sound und seine Verdichtung auch hier längst übergesprungen.

Profaner gesprochen bezieht "Glory hope mountain" seine rhythmische Varianz aus den postrockenden Weltmusik-Dekonstruktionen der Marke Tortoise oder Pele, seine Harmonik aus Country und Folk, seine flatternde melodische Präsenz aber aus dem Indie. Klang, Raum und Konsistenz des Albums erklären sich darin aber zu keiner Sekunde, denn die Bausteine bleiben bis in die hinterletzten Fasern buchstäblich hör- und spürbar. Jedes Schnarren auf dem Griffbrett passt perfekt in den Takt, jede Abweichung wird nach und nach aufgeschlossen, abgesichert und verdichtet. Deshalb spielen The Acorn keine progressive Americana, keinen Anti-, Alternative- oder Neo-Folk, sondern endlich wieder einen, der alle seine Möglichkeiten nutzt. Hoch professionalisiert, aber auch tief verwildert - der Landstrich in uns allen.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Flood
  • Crooked legs
  • Glory
  • Antenna

Tracklist

  1. Hold your breath
  2. Flood
  3. Even while you're sleeping
  4. Crooked legs
  5. Glory
  6. Oh Napoleon
  7. Low gravity
  8. Sister Margaret
  9. Antenna
  10. Plateau ramble
  11. Flood pt.2
  12. Lullaby (Mountain)
Gesamtspielzeit: 48:25 min

Im Forum kommentieren

Dan

2009-04-01 20:16:03

demnächst auf Tour in Europa.

sgr

2009-01-23 22:07:47

Acorn sind gerade von Elbow für deren aktuelle UK-Tour als Support ausgwählt worden...

Ich mag "Crooked Legs" am liebsten...

bee

2009-01-23 21:58:55

wirklich ganz tolle Platte - In the city - was für ein Song!

90ty

2008-11-28 14:17:36

... also in einer Top20 von 2008 kann die eigentlich sehr guten Gewissens auftauchen!

koe

2008-11-25 23:51:51

wow.klingt echt gut.

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