Rosenstolz - Die Suche geht weiter

Island / Universal
VÖ: 26.09.2008
Unsere Bewertung: 3/10
3/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Auf Du und Du

Schland? Braunkohl, Fußball, Kartoffelsalat! Ach ja, und Rosenstolz natürlich - die Loreley des deutschen Schlagers. Indigenes Denkmal ebenso wie Freilichtbühne des Revoluzzer-Establishments. Während ansonsten gern ignoriert wird, dass die Flippers in einer Stunde circa acht Milliarden Platten mehr verkaufen als Tocotronic in einem ganzen Jahrhundert, versprechen eben Rosenstolz nun schon seit geraumer Zeit Abhilfe. Und in der Tat: Peter Plate und AnNA R. sind bei der Pop-schlägt-Schlager-schlägt-Pop-Schnitzeljagd mit "Die Suche geht weiter" mittlerweile beim nächsten Hinweis angekommen: bei der Zweitverwertung ehedem erfolgreicher Songformate.

So merkt noch der Taube mit 'nem Cochleaimplantat, dass der süßlich schmeckende Wind, der durch "Gib mir Sonne" weht, eigentlich ein dicker Rülpser ist, mit dem Rosenstolz ihren "Liebe ist alles"-Erfolg wieder hervorwürgen. Harmonie, Hookline, Schunkel-Kuschel-Schlagzeug, alles mindestens 1 zu 0,75 umgesetzt. Schön und gut, machen ganz andere eben auch. Allerdings ist die Art und Weise, wie "Die Suche geht weiter" in seinem Schmusekurs einzig und allein auf der Stelle tritt, im Grunde schon reif fürs Museum. Denn da, wo gar nichts mehr geht und man gefälligst die Klappe zu halten hat, fühlen sich auch "Ich bin mein Haus" oder "Irgendwo dazwischen" pudelwohl. Trotz großer Instrumentierung mit Querflöten, Klavieren und schneeweißen Streicheryachten; trotz R.s Stimme, der man Klischees unterstellen kann, aber nicht, dass sie nicht auch mal zupacken würde: Das ständig beschworene "Leben" verwest hier zwischen Angststarre und Mumifizierung munter vor sich hin.

Theater veranstalten lediglich die in einfachster Gitarren-Pop-Melancholie zielstrebig voranschreitenden "Kein Lied von Liebe" und "Wie weit ist vorbei" sowie das akustische Folk-Pop-Bonbon "An einem Morgen im April". Lieder, die den Kern von "Die Suche geht weiter" bilden und deren Prinzip sich nach vorne und hinten ausfranst, bis nichts mehr von ihnen übrig bleibt. Bereits mit "Unerwartet (Mein Fenster zum Himmel)" kann man sich schon wieder in die Faust beißen und zieht R.s Personalpronomen-Fixierung runter in den Halbschlaf. Sie will warten, tanzen, durchdrehen, die blauen Flecken vom Liebsten feiern (trotz Metapher-Klamauk verdient sich das ein Ausrufezeichen: !), sie will gehalten werden oder von vorne anfangen - mal im Ernst, die Frau ist entweder tausend Christine Beauchamps, oder ihr ist im Grunde alles schnurzegal.

Überhaupt, all diese direkten Ansprachen: "Bist Du dabei?", fragen die Tourplakate, "Ichichich - Dududu", finden auch die Texte. Eine Sippenhaft, die das Persönliche allein deshalb derart exorbitant bemüht, weil es sonst nun wirklich nichts zu sagen gibt. Leere Worthülsen kompensiert durch hohle Verschwisterungen, des einen Gemütsschlichtung ist des anderen Selbstzweck - so wird man halt Schwulenikone, Nationalfeiertag und Radio-Darling gleichermaßen. Was daran besonders clever sein soll, weiß allerdings wieder mal nur Spiegel online. Letztlich stellt es für keine der Seiten irgendeine Herausforderung dar. Und bringt deshalb niemandem irgendetwas. So kann man zum Abschluss auch ruhig noch mal persönlich werden: "In mir regt sich kein Gewissen / Doch ich kämpf dagegen an / Ich sing mein Lied / Nur für mich" - schön wär's.

(Tobias Hinrichs)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Kein Lied von Liebe

Tracklist

  1. Ich bin mein Haus
  2. Gib mir Sonne
  3. Blaue Flecken
  4. Irgendwo dazwischen
  5. Kein Lied von Liebe
  6. Wie weit ist vorbei
  7. An einem Morgen im April
  8. Unerwartet (Ein Fenster zum Himmel)
  9. Bist Du dabei
  10. Herz schlägt auch im Eis
  11. Wann kommst Du (Autos fahr'n an mir vorbei)
  12. Die Suche geht weiter
Gesamtspielzeit: 51:06 min

Im Forum kommentieren

Buprä

2012-05-10 19:27:30

Ich verleihe InaSimoneBorcholte-Wigger hiermit den deutschen Rezensions-Doktorhut in Gold. Respekt.

verblödet

2012-05-10 19:04:22

das hätte ich nicht besser ausdrücken können und deshalb in diesem forum genau richtig!

aber am besten in diesem forum finde ich
die rezis,einfach traumhaft,vor allem von den weiblichen rezi-schreiberinnen

Anna

2012-05-10 11:18:12

Why does this have to be the ONLY rleiblae source? Oh well, gj!

Mixtape

2009-02-11 22:36:23

Die Band sagt die Tour und alle Fernsehauftritte ab, weil Peter am Burn-Out-Syndrom leidet.

Gute Besserung!

Quelle

Michael

2008-10-07 04:45:34

Wer hätte das gedacht: Thees Uhlmann mag Rosenstolz !

(Quelle: http://www.tagesspiegel.de/kultur/pop/Popkomm-Thees-Uhlmann-Tomte;art971,2630077)

TAGESSPIEGEL: Ein Fazit zum Schluss: Ist Deutsch als Sprache im Pop etabliert?

UHLMANN: Ich glaube, sie ist seit Udo Lindenberg und Ton Steine Scherben etabliert. Vielleicht wird die Sprache heute ernster genommen. Wir unterhalten uns in unseren kleinen Zirkeln darüber, wie toll eine amerikanische Band wie MGMT ist, aber demnächst spielen Rosenstolz drei Mal hintereinander in der Wuhlheide. Das ist eine Band, die ich megamäßig okay finde. Die haben in Schwulenbars auf dem Tresen gespielt. Die haben jeden Respekt verdient.

TAGESSPIEGEL: Finden Sie eine Band besser, wenn sie lange durchgehalten hat?

UHLMANN: In Schwulenkneipen aufzutreten ist keine Strategie, um fünfzehn Jahre später die Wuhlheide auszuverkaufen. Die haben mehr Respekt verdient als eine popelige Indieband, die für zwei Jahre die Schnauze aufreißt, schnöselig den Rock in Niederschopfenhofen neu erfindet – und nach zwei Platten feststellt, dass es ihnen doch nicht egal ist, wenn sie auf dem Boden schlafen müssen.

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum