Caracho - Lass uns Bambi spielen!

One Eyed Charlie / Groove Attack
VÖ: 04.10.2008
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Menschen, Tiere, Kanalisationen

So ein Sonntagnachmittag im Streichelzoo ist schon eine ungemein entspannende Angelegenheit. Im Gegensatz zu einem Caracho-Auftritt, wo die drei tierlieben Hamburger stets mit Bodybuilder-Bambis und Feuerschlucker-Katzen auf der Bühne stehen. Und natürlich widmen sie gleich ihr erstes Lied einem vierbeinigen Freund. "Schwarze Katze, weiße Katze, rote Katze, gelbe Katze, komm Miez Miez Miez." Man muss unweigerlich an Helge Schneider denken, der fünf Minuten lang "kleiner Vogel" und dann urplötzlich "mittlerer Vogel" singt. Nur dass Caracho nicht bloß einen mittleren Vogel haben. Sondern einen ganz gewaltigen.

Und das nicht nur, weil sie sich blonde Langhaarperücken aufsetzen, monströse Schnurrbärte ankleben und unter dem Motto "Tour le Dispo" Guerilla-Konzerte in Vorräumen von Banken spielen. Caracho sind, mit einem Wort, gnadenlos. Bis an die Zähne bewaffnet mit grob übersteuerten Electronics, Gitarrendauerfeuer im Anschlag und Breakbeats, bis der Arzt kommt. Und sich natürlich für keinen noch so großkarierten Schwachsinn zu schade. Die Katze reicht die Tatze, der "Herzensbrecher" schleimbeutelt debiler als bei Knorkators Charmebolzen-Fiasko "Franz Hose", "Schwing dein Ding" wird zum Soundtrack der Prekariats-Golfpartie. Physisch wie psychisch unfassbar. Und das soll man sich anhören können?

Noch unfassbarere Antwort: mitunter durchaus. Wenn man beim inneren Schweinehund Urlaub vom Ich beantragt hat und zusätzlich schwer auf Krawall, Party und Abspacken gebürstet ist. Denn an ein paar Stellen treffen Caracho richtig ins Schwarze. Wie "In Hamburg sagt man ja ja" mit hyperaktiv hoppelnder Sequenz und zappeligem Uptempo gleich in mehreren Mundarten das Problem des Zugereistseins unter Berücksichtigung von Biertrinkgewohnheiten erörtert, ist schlicht und ergreifend große Klasse - und erinnert in Ansätzen sogar an das bis heute nahezu unschlagbare Reimgewitter des ersten Fischmob-Albums.

"Agathe Bauer", offenbar inspiriert von der unerträglich witzigen Verhör-Comedy diverser Radiosender, stampft "The power" von Snap! mit Ballerbuden-Metal in Grund und Boden, bis die Titelheldin als Transvestit entlarvt wird - und ist am Ende doch ein irrer Upbeat-Party-Track, für den Deichkind glatt die Boxen ihres Vaters versetzen würden. Denn auch wenn Caracho hauptsächlich aus dem Niveaugully senden, kann nicht komplett von der Hand gewiesen werden, dass sie auch etwas von Musik verstehen. Wie viel genau, werden sie natürlich niemandem auf die Nase binden. Lieber heimlich schlau als unheimlich doof.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • In Hamburg sagt man ja ja
  • Agathe Bauer

Tracklist

  1. Schwarze Katze
  2. In Hamburg sagt man ja ja
  3. Bambi
  4. Herzensbrecher
  5. Bis einer heult
  6. Agathe Bauer
  7. Ach, ich weiß auch nicht
  8. Schwing dein Ding
  9. Sex, drugs and football
  10. Sucker
  11. Blues im Blut
Gesamtspielzeit: 42:41 min

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  • Caracho (5 Beiträge / Letzter am 17.10.2008 - 00:05 Uhr)