Oasis - Dig out your soul

Big Brother / Indigo
VÖ: 04.10.2008
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Absolute Giganten

Die PR-Maschine läuft seit Längerem wieder auf Hochtouren, und zwar ziemlich geschmiert. Es ist ja so, dass immer, wenn eine neue Platte von Oasis ansteht, Noel Gallagher aus dem Studio-Löchlein krabbelt und munter drauflos beleidigt. Diesmal mussten Amy Winehouse ("a fuck-up junkie") und die Kaiser Chiefs ("I never got that bad that I would go: 'You know what? The Kaiser Chiefs are brilliant'") dran glauben. Böse Zungen würden sogar behaupten, dass die Rippen, die sich Noel nach dem Angriff eines wildgewordenen Konzertbesuchers brach, auch zu dieser Maschinerie gehören. Hört, hört: Oasis prügeln nicht mehr selbst, um in die Schlagzeilen zu kommen. Sie lassen sich verprügeln. Ach, und "Dig out your soul" ist natürlich wieder einmal das beste Album in der Bandgeschichte. Oder mindestens seit "(What's the story) Morning glory?". Das hat Noel diesmal zwar nicht gesagt, aber gedacht. Wetten?

Man kann sich tatsächlich vorstellen, wie der eifrige Noel in London im Studio sitzt und sich seine Hände an gewohnten Hymnen wund feilt. Bis Produzent Dave Sardy genervt aufgibt und dem Oasis-Kopf ein kräftiges "Dig out your soul, man!" an den Kopf wirft. Angepisst packt Gallagher seine sieben Sachen, geht nach Hause und kommt erst einige Wochen später mit neuen Songs im Gepäck zurück. Und die haben es in sich, markieren sie doch die Rückbesinnung auf den druckvollen, leicht psychedelischen Britrock des Debüts einerseits. Andererseits aber auch die Abkehr von der typischen Oasis-Hymne. Die Beatles-Reminiszenzen sind in Noels Songs trotz allem gewohnt allgegenwärtig, wurden aber selten so offenherzig und mit breiter Brust zur Schau getragen wie in der ersten Single "The shock of the lightning". "Magical mystery" hat der Gute seinem Bruder Liam sicherlich nicht ohne Hintergedanken in den Mund gelegt. "(Get off your) High horse lady" atmet die drogenschwangere Luft des kauzigen weißen Albums, und "The turning" dudelt mit einer "Dear prudence"-Gitarre seinem Ende entgegen.

Weil aber Oasis mittlerweile ganz basisdemokratisch über die Songauswahl entscheiden - das lässt Noel die Anderen zumindest glauben - durfte Gem Archer mit "To be where there's life" einen weiteren Bong-Song mit indischer Würze und Andy Bell den schleppenden Krawaller "The nature of reality" beisteuern. Bruder Liam konnte sich diesmal gar ganze drei Songs erpöbeln, und die sind nicht die schlechtesten: "I'm outta time" ist eine rührige Piano-Ballade und klarer Singleaspirant, auch weil sonst kaum Hit taugliches Material in Sichtweite ist. "Ain't got nothin'" dampfhammert wunderbar ziellos mäandernd vor sich hin, und der Rausschmeißer "Soldier on" trägt den Hörer auf einer sanften Psychedelia-Woge à la Ashcroft hinaus aus den Träumen zurück an die Bar und zum nächsten Lager. Das Prinzip funktioniert. Erstmals seit vielen Jahren kommt das Gefühl auf, dass hier wirklich wieder eine Band gemeinsam an der selben Pfeife zieht.

Das Erfreulichste an "Dig out your soul" ist in der Tat, dass Oasis nicht mehr krampfhaft versuchen, "music for the masses" zu produzieren. Kein Stadion-Zwang, keine "Champagne supernova", keine gescheiterten Anstrengungen, noch einmal "Don't look back in anger" toppen zu wollen. Ja, nicht einmal ein kleines "Little by little" hat sich auf das Album geschmuggelt. Noel hat den Nimbus des übergroßen Songwriters zugunsten der Band freiwillig aufgegeben. Oasis haben vor sich selbst und ihrer Geschichte kapituliert, und damit das Türchen der musikalischen Kreativität wieder ein großes Stückchen aufgestoßen. Auch wenn wir wohl nie wieder grölend - in der linken Hand die Fahne, in der rechten das Bier - durch den Stadion-Innenraum schwanken werden. Diese Zeiten sind nun endgültig vorbei. Und "Dig out your soul" ist das beste Oasis-Album seit dem maßlos unterschätzten Größenwahn "Be here now". Mindestens. Oder, Noel?

(Kai Wehmeier)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Bag it up
  • The shock of the lightning
  • I'm outta time
  • To be where there's life

Tracklist

  1. Bag it up
  2. The turning
  3. Waiting for the rapture
  4. The shock of the lightning
  5. I'm outta time
  6. (Get off your) High horse lady
  7. Falling down
  8. To be where there's life
  9. Ain't got nothin'
  10. The nature of reality
  11. Soldier on
Gesamtspielzeit: 44:36 min

Im Forum kommentieren

The MACHINA of God

2024-09-11 15:50:17

Jepp, nachdem auf "Truth" Liam in quasi jeglicher Hinsicht schwach ist, hat er hier seine besten Songs drauf. Noel singt hier abgesehen von "Falling down" sicherlich nicht seine besten Songs, aber hat ja noch einige richtig gute geschrieben.

Socko

2024-09-11 15:49:34

Und dann noch boy with the blues, der es aus irgendeinem Noel Grund nicht aufs Albung geschafft hat.
Ist mittlerweile stabil auf Platz 3 mit be here now gemeinsam nach den ersten beiden Werken

Affengitarre

2024-09-11 15:44:07

Ja, Liam hat hier zwei seiner mit Abstand besten Songs drauf.

Deaf

2024-09-11 15:00:00

Der letzte Track "Soldier on" war immer mein Favorit des Albums.

Lordran

2024-09-11 14:57:55

Für mich das mittlerweile das schlechteste Album der Band. Der Start mit den ersten vier Songs ist noch gut, danach kommt nur noch graues Mittelmaß bis Totalausfälle. Nur die Songs von Noel überzeugen, der Rest der Band enttäuscht komplett.

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