AM/FM - Mutilate us

Cooking Vinyl / Indigo
VÖ: 06.08.2001
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Words don't come easy

Platten bestehen aus mehr als nur Musik. Als Argument in den MP3-Debatten tauchen immer wieder die Plattencover als Kaufanreiz auf. Doch bei all den Hüllenausstellungen mit Vitrinen voller Klapp- und Bastelcoverorgien wird oft ein weiteres Element der Musikausschmückung vergessen: das blanke Wort. AM/FM treten auf "Mutilate us" diesbezüglich die Flucht nach vorne an: Das Titelbild wird an prominenter Stelle von einer Textzeile geschmückt, die auf "We are the ones that let love mutilate us" endet, während die kleingedruckten Tracktitel auf der Rückseite zaghaft eigenartige Episoden andeuten, die Phantasie ankurbeln und über verschlungene Pfade von "(Mutilate us)" nach "Mutilate us" führen. Je länger man sich diesen Oberflächlichkeiten widmet, desto besser ist man vorbereitet: Langsames Reinrutschen scheint die einzige wirksame Taktik für diese Platte zu sein.

Hat man die CD endlich im Player, grüßt als erstes der bereits erwähnte Klammertrack mit zwölf Sekunden nackten, wortlosen Chorgesängen. Vermutlich als Einstimmung auf den zweiten Song - "Oh, halleluja!" frohlockt es dort gleich anschließend auf der Gesangsspur. Gospelrock oder Kirchenorgelfunk ist auf "Mutilate us" allerdings nicht zu finden - höchstens als Gestaltungselement an Trackrändern. Dominiert wird die Musik von leicht angestaubtem, aber gut gemeintem Indierock der amerikanischen Sorte, angereichert durch liebevoll gesetzte Details. Da kleckern Banjos, da brechen pedalenhüpfende Verzerrereien die Songoberflächen auf, da wird liebevolles Klackern und Knacksen hingefrickelt. Und doch schaffen es AM/FM immer wieder, die ungewohnt-verspielten Klänge in etablierte Songstrukturen mit hübschen Gitarren und eingängigen Refrains zurück zu kanalisieren.

"Mutilate us" pendelt ständig zwischen allen Dimensionen: Zwischen laut und leise, zwischen schnell und behaglich, zwischen Oberfläche und Tiefgang. Die Inkonsistenz wird zu Spannungsbögen umgedichtet. Steht man als Hörer ungewollt zwischen den Zeilen, wird man im nächsten Moment wieder zurückgespült. Das Treibenlassen funktioniert, und zum vermeintlichen Schluß - wieder ein Titeltrack, dieses Mal ohne Klammern - wird man wieder bei den vom Anfang bekannten Gesängen abgesetzt. Dennoch glüht die Platte aber erst im allerletzten Stück richtig aus, wo in verwaschener Proberaumakustik rückblendenhafte Songfragmente zusammengepuzzelt werden. Überraschenderweise findet man dessen Titel nicht auf der Hüllenrückseite. Text scheint zwar als Ausgangspunkt zu taugen, den Schlußpunkt aber will man ihm offenbar doch nicht anvertrauen. Ein wenig Geheimniskrämerei muß eben sein. Besteht Musik also aus mehr als nur Platten?

(Adrian Schulthess)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • A best man (put my girlfriend on fire)
  • LeAnne, the seasons project
  • Time flows much more slowly this way

Tracklist

  1. (Mutilate us)
  2. Secretly odds in knowing normal worlds
  3. A best man (put my girlfriend on fire)
  4. You and me at 53
  5. Those long arms
  6. Yours recklessly
  7. LeAnne, the seasons project
  8. When I died in Sebastopol
  9. Time flows much more slowly this way
  10. When Larry and Garry get married
  11. Disney girls (1957)
  12. Success rides a shiny white line
  13. Mutilate us
Gesamtspielzeit: 43:31 min

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