Murs - Murs for president
WarnerVÖ: 04.10.2008
Wahlversprecher
Irgendwo in der Mitte von Amerika sitzt gerade ein guter, alter Rassist und weiß gar nicht, wie ihm geschieht. Erst führte Dave Chappelle der breiten Masse vor, wie sich George W. Bush als schwarzer Präsident benehmen würde. Dann kam "that Hussein guy" aus Illinois mit seinen Worten vom Wandel und häufte so viel Begeisterung hinter sich an, dass dem politischen Establishment nicht nur die Lust auf Lachshäppchen verging. Und jetzt drängelt sich auch noch so ein Rap-Typ in die Kampagne, der so quirlig und kackfrech erscheint, dass John McCain doch glatt die künstliche Kniescheibe rausspringen müsste. Murs aus Los Angeles will ins Weiße Haus - und sei es nur, damit er die beste MTV-Cribs-Folge aller Zeiten drehen kann.
Nicht nur aus marketingtechnischer Sicht ein prima Plan, den Murs mit der zugänglichsten Platte und den teuersten Gästen seiner Karriere angeht. Auf "Murs for president" gibt es den Pop-Hektiker "Lookin' fly", der unter weitgehend unbemerkter Hilfe des Pop-Hektikers will.i.am (Black Eyed Peas) passiert, und das Gospel-fertig aufgedonnerte "Time is now" mit Snopp-Doggy-Dogg-Duftmarke. Aufregender ist das Album aber, wenn Murs in seinem offiziellen Wahlprogramms-Track "I'm innocent" alle Ghostface-Killah-Register von schwer gebauten Soulsängerinnen bis zum unbesiegbar druckvollen Vortrag zieht - oder mit "The science", Flöten-Samples und Antworten auf diverse Crack-, Koks- und Verschwörungsfragen gleich ins Detail geht. Neben so viel Wortgewalt sieht natürlich auch Barack Obama wie ein Legastheniker beim Scrabble aus. Trotzdem stehen die Inhalte in den besten Murs-Stücken immer noch einige Schritte vor der Ausdrucksform.
Gerade deshalb ist es so schade, dass das übergeordnete Thema von "Murs for president" im Laufe der Platte immer offensichtlicher zerfällt. Ähnlich wie auf Jay-Zs Fake-Konzeptalbum "American gangster" schleichen sich Tracks über Frauen, lose Beziehungsenden und den peinlichen Zustand der Rapmusik dazwischen. Murs investiert hier nicht weniger Energie als anderswo und klingt nur in der frustrierend altbackenen Gitarren-Schlachterei von "A part of me" verlorener als in seinen persönlich-politischen Agenda-Songs. Deshalb funktioniert "Murs for president" weniger als später Quereinsteiger in einen bedenklich hüftsteifen US-Wahlkampf, denn als Metapher für Murs' Werdegang, der ihn vom experimentierfreudigen Indie-HipHop-Label Def Jux zu Warner geführt hat. Dort werden Ambitionen wie Charts, Airplay und Weltherrschaft schließlich noch immer recht großzügig bezuschusst.
Highlights & Tracklist
Highlights
- I'm innocent
- The science
- Everything
Tracklist
- Intro
- I'm innocent
- Lookin' fly (feat. will.i.am)
- The science
- Can it be (Half a million dollars and 18 months later)
- Everything
- Road is my religion
- Sooo comfortable
- Time is now (feat. Snoop Dogg)
- Think you know me
- Me and this jawn
- Love and appreciate II (feat. Tyler Woods)
- A part of me
- Break up (The OJ song)
- Breakthrough