Built To Spill - Ancient melodies of the future

Warner
VÖ: 16.07.2001
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

I know what you did next summer

Satte sechsundzwanzig Sekunden dauert es, bis der erste Satz fällt. Und dann gleich so ein großkalibriger. "This strange plan is random at best" nölt Doug Martschs Nuschelorgan unschuldig in die ungefähre Mikrophonrichtung, während sich im Hintergrund unbemerkt das Schepperintro zu einem richtigen Song aufzubäumen versucht. Built To Spill sind in dieser Saison ausdrücklich ohne ihr zum Markenzeichen gewordenes Masterplanmotiv unterwegs, leidenschaftliches Rumturteln mit Paranoia und Fatalismus wurde für diesen Sommer ersatzlos gestrichen. Keine Zeit für nostalgische Umschweife: "We'll call it the truth". Okay.

Doch vorerst zu den obligaten Eckdaten: Built To Spill sind Scott Plouf, Brett Nelson und Chefrocker Doug Martsch. Dieser interpretiert Punk als romantische und offene Geisteshaltung und macht folgerichtig im weitesten Sinne klassischen Indie-Rock, der auch ohne die legendäre Badezimmerakustik und die sprichwörtliche Selbstgefälligkeit auskommt. Während andere Bands just diesen Transfer in ein koscheres Produktionsumfeld nicht überlebten, waren Built To Spill maßgeblich an der Planung neuer Genrekonventionen beteiligt, die groß angerührt nach wie vor gestandene Musikkenner zum Rätseln und zu händeringenden Vergleichen provozieren. Tatsächlich brauchen sich Built To Spill aber nirgends festzuklammern; Standvermögen hat man genügend, und ernsthafte Konkurrenz in Form echter Indie-Bands der Königsklasse ist sowieso kaum mehr übriggeblieben.

Mittlerweile müßte die Platte längst beim zweiten Track sein, also: Rückwärtsskippen. Den ersten Song noch mal vorbeiziehen lassen, merken, daß es trotz der propagierten Planlosigkeit die selben Built To Spill sind, die bereits mit fünf regulären Vorgängeralben die geneigte Hörerschaft in beinahe uneingeschränkte Verzückung mitrissen. Nach dem ersten, garagenhaft instrumentierten Track kippt das Album in den zuletzt perfektionierten, stellenweise orchestralen Breitwandklang. Ausformuliert bedeutet das: Riesige Distanzen, eine verspielte Gitarre im Lichtkegel, überlebensgroße Melodien, unzählige Details drumherum. Und nicht zuletzt Songs, die nicht im Kompromiß zwischen Schmachten und Rocken versanden, sondern sich den Auftrieb dieses allgegenwärtigen Grundsatzgegensatzes moderner Rockmusik zunutze machen und an musikalischen Traumlandschaften feilen.

Built To Spill bleiben dabei grundsätzlich verspielt und detailverliebt, doch die immer schon vorhandene naiv-romantische Komponente ist auf "Ancient melodies of the future" ausgeprägt wie nie zuvor. Die Songs sind fast ausnahmslos vor der Vier-Minuten-Marke zu Ende, die Soli wurden meist artig an die Trackränder gepackt. Idealvoraussetzungen also, um sich jetzt in den Built-To-Spillschen Klangkosmos ziehen zu lassen und demnächst die zwei quakenden Wah-Wahs links außen und die niedlichen Streicherimitationen hinter jenem Instrumentalpart zu entdecken, den Baß, der da von vorne auf die Gitarre zurollt schon vor dem Aufschlag zu spüren und darüber zu rätseln, ob das gerade nicht doch eine Blockflöte war.

Im Grunde gibt es nur eine angemessene Art, dieses Album zu genießen - die zentraleuropäische Variante des romantischsten aller Amerikanischen Träume: Mit offenem Verdeck den Road Trip durchziehen, mit 55 Meilen in der Stunde durch Mecklenburg-Vorpommern brettern, ab und an den Sternenhimmel anstarren, am nächsten Morgen an der Ostsee die nackten Füße in die Sonne strecken. Ghettoblaster nicht vergessen, damit die Passanten wissen, woher das Grinsen kommt - denn: "The song repeats itself inside you".

(Adrian Schulthess)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Strange
  • In your mind
  • Happiness
  • Fly around my pretty little miss

Tracklist

  1. Strange
  2. The host
  3. In your mind
  4. Alarmed
  5. Trimmed and burning
  6. Happiness
  7. Don't try
  8. You are
  9. Fly around my pretty little miss
  10. The wheater
Gesamtspielzeit: 39:09 min

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