Attack In Black - Marriage
Hassle / PIAS / Rough TradeVÖ: 05.09.2008
Tränen statt Tragödien
Wer Visionen hat, sollte am besten zum Arzt gehen. Oder gleich besser Arzt oder Psychologe werden, um sich selbst zu heilen. Wäre man jetzt Dr. House, würden einem auch tolle Namen für die Symptome einfallen, die Attack In Blacks Debüt "Marriage" beschreibt. Einige Auffälligkeiten aus dem Handbuch der affektiven Störungen oder der geschlechtsspezifischen Besonderheiten der Frauen wären sicherlich angemessen. Dass Manie und Musik keine Widersprüche sind, weiß man auch nicht erst seit gestern. Daniel Tavis Romano und die Seinen geben mit "Marriage" eine ähnliche Richtung vor, die in diesem Jahr schon Able Baker Fox und alles überragend The Gaslight Anthem mit "The '59 sound" eingeschlagen haben.
Das Quartett aus Welland, Ontario, deutet mit "Come what may" gleich zu Beginn an, dass Attack In Black zwei Wege kennen. Der eine heißt hier ganz klar Attacke: Was nicht geradeaus und nach vorne geht, wird gerade gebogen. Auf dem zweiten Weg jedoch wird gerne auch einmal die Bremse betätigt. Ganz kleptomanisch bedient man sich bei Klassikern der kanadischen Pop- und Folkhistorie und klaut bei Namen wie den Weakerthans oder gleich beim Großmeister Neil Young. Zwischen Vollgas und Midtempo wäre der Rahmen somit abgesteckt.
Genau so eindeutig dürfte sein, dass neben den harten Gitarren und den eindringlichen Bässen ordentlich gemenschelt wird. Beziehungskisten - Ich will sie, sie sucht ihn, das Ich sucht sein Es - gehören ebenso dazu wie der Reiz der Jugend. Die groß auffahrende und mit Trompeten versehene Liebeshymne "The love between you and I" lässt weder Wünsche offen noch Tränendrüsen trocken. Das geht tief unter die Haut. Zwei Dinge finden sich, die auf den ersten Blick nicht zueinander passen, sich aber ausgezeichnet ergänzen: jugendlicher Leichtsinn und gestandene Reife. Und alles meist leicht und spritzig, wie sich das gehört.
Zum Arzt muss am Ende aber nun doch niemand. Die Dauerglücksfühle halten nicht ewig an und werden das ein oder andere Mal unsanft unterbrochen. Zum Beispiel, wenn "Young leaves" in belanglosen Sunshine-Pop ausartet und mit Nanana-Chören aufwartet, müssen die Lobbekundungen ausgesetzt werden. Im Gesamtkontext macht das aber nicht all zu viel aus. "Marriage" bleibt ein Album, das den ganzen Schwung mitnimmt, um die eigenen Unzulänglichkeiten zu überwinden. Das nächste Werk soll schon fertig sein, reduzierter daherkommen und den Folk aufblitzen lassen. Wartet etwa dort bereits die Erleuchtung?
Highlights & Tracklist
Highlights
- Come what may
- The love between you and I
Tracklist
- Come what may
- Young leaves
- Hunger of the young
- Inches and ages
- Marriage
- If all I thought were true
- Broken things
- Footprints
- The love between you and I
- Northern towns
- Husbands
- Chimes and church bells
Referenzen
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