Constantines - Kensington Heights
Arts & Crafts / Al!veVÖ: 04.10.2008
No no hard feelings
Keine Sorge, Kensington ist nicht das neue Williamsburg. Wäre der Stadtteil Torontos nämlich genauso angesagt wie Brooklyns derzeitiges Kreativenviertel, würden Constantines bestimmt keine Platte danach benennen, sondern wegziehen. Der Trend zum Lokalkolorit im kanadischen Indierock ist dennoch unübersehbar: The Weakerthans sangen auf "Reunion tour" über den Curling-Wettbewerb "Tournament of hearts", nach dem Constantines schon längst eine ganze Platte benannt haben. Und Jason Collett widmete den Land- und Errungenschaften Ontarios gleich sein ganzes letztes Soloalbum. Der Blick ist dabei natürlich eher linksliberal-besorgt als hurrapatriotisch-verwischt. Wenn sich Constantines mit "Kensington Heights" aber wieder einem kanadischen Label anschließen und von einer Entscheidung für die Heimat sprechen - nun, dann ist das durchaus ein Zeichen.
Keinen Krach soll es dabei mit der geschassten Vorgängerfirma (immerhin Sub Pop) gegeben haben; "Hard feelings" aber bestimmen den Opener und weite Teile des vierten Constantines-Albums in den letzten acht Jahren. Am besten war diese Band immer schon, wenn sie mit Reibeisen und Kratzgitarre in ihrer eigenen Urgewalt herumgerührt hat. Auf "Kensington Heights" tut sie das besonders in den ersten beiden Songs, die einmal mehr das Bild der geschundenen, aber aufrechten Trotzkopf-Band beschwören: "Can't sleep in the nation of imagination / You can tell by the way I walk", heißt es schon vor dem ersten Refrain. Und später auch mal mantraartig heruntergebetet: "Oh, love can be a shower of stones." Nur keine Leichtigkeit vortäuschen.
So wird "Kensington Heights" zur Platte, die dem Tod immer wieder von der Schippe springen muss - auch weil Constantines in ihren langsam vorwärts drängenden Songs häufiger als zuvor aus einer unumstößlichen Kraft schöpfen, die sich auch gegen die Band selbst richten kann. "Time can be overcome" etwa flößt sich seinen Songtitel mit der kalten Vehemenz eines Drill Sergeants ein, während die Gitarre gerade noch mal an einem Classic-Rock-Solo vorbeischrammt. "Brother run them down" baut auf die Wechselwirkung von Abgrenzungs- und Verbrüderungsgesten, ist im Herzen aber vor allem ein bemerkenswert unbeschädigter Hitversuch. Und "Credit river" setzt ein weiteres Landschaftsdenkmal ins kanadische Irgendwo, das nur noch überschattet wird von der eiligen Mission-Of-Burma-Gitarre, die den Strophen des Songs ohne Hoffnung hinterher rennt.
Mehr noch als im Post-Punk der frühen und mittleren achtziger Jahre ist "Kensington Heights" allerdings in der Kleingeldtasche von Bruce Springsteens verschlissenster Arbeiterjeans zu Hause. Unverwechselbar ist da schon die ausgestreckte Hand im ohnehin sehr zahmen "New king". Erst am Ende des beschwerlich aufgerichteten "Do what you can do" kommen Stolz auf Herkunft und Lebensweg jedoch in einer Weise zusammen, die von den Musikbeauftragten konservativer Wahlkampfcamps immer wieder missverstanden wird. Anders als Springsteen wird den Constantines wohl erspart bleiben, ihre Musik im abschließenden Konfettiregen einer Republikaner-Kundgebung zu hören - "Kensington Heights" ist eben der Gustav Mahler einer explizit kanadischen Arbeiterklassik.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Hard feelings
- Million star hotel
- Time can be overcome
- Credit River
Tracklist
- Hard feelings
- Million star hotel
- Trans Canada
- Shower of stones
- Our age
- Time can be overcome
- Brother run them down
- Credit River
- I will not sing a hateful song
- New king
- Life or death
- Do what you can do
Referenzen
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- The Constantines (22 Beiträge / Letzter am 25.08.2010 - 18:36 Uhr)