Abe Vigoda - Skeleton

Bella Union / Cooperative / Universal
VÖ: 04.10.2008
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Bacardi squealing

Eigentlich bleibt einem in Los Angeles ja gar nichts anderes übrig, als eine durchgeknallte Punkband zu gründen. Der Lärm, die Luft, die Verrückten - irgendwie muss man ja gegen das alles und seine Befürworter ankämpfen. Abe Vigoda sehen das ähnlich und sind deshalb Teil einer ausgesprochen vitalen Lümmelbande aus Gitarren zerdreschenden, Verstärker durchschmorenden Musikgruppen, die vom Szene-Fixpunkt The Smell in Downtown L.A. regelmäßig einen Haufen verbrannte Erde und sonst nicht mehr viel übrig lassen. Genau wie No Age, die Musterschüler des Movements, wissen natürlich auch diese lustig bubenhaften Männer um die Kraft des klug platzierten, ambienten Luftholens. Als Alleinstellungsmerkmal dient ihnen auf "Skeleton" aber noch mehr, dass sie wahrscheinlich die erste echte Tropicana-Noiserock-Band der Welt sind.

Abe Vigoda heißen wie ein Schauspieler, dem sein perfektes Mafioso-Gesicht vor knapp 40 Jahren Rollen in den ersten beiden Teilen von "Der Pate" bescherte, und der außerdem schon häufiger für tot gehalten wurde als Elvis für lebendig. Man darf das durchaus bezeichnend finden - Vigoda erfreut sich noch heute an Leben und hohem Alter, und die erste Platte seiner Fake-Namensvetter käme niemals auf die Idee, irgendeinen Song für tot zu erklären, bevor ihm nicht noch das letzte spastische Zucken entwichen ist. Dabei ist "Skeleton" beneidenswert konsequent: Das absurd-brillante, hintenrum sogar großhymnische Tontaubenschießen von "Dead city/Waste wilderness" ist etwa so hoffnungslos in sich selbst verzettelt, dass ihm noch fünf weitere Bindestriche und Zusatztitel zustehen sollten. Für andere Bands schon das halbe Album. Bei Abe Vigoda ein 2:59-Song.

Auch danach dreht sich "Skeleton" vor allem um sich selbst und verfolgt frühstens beim zweiten Hingucken klare Linien. "Bear face" lässt sich nur im letzten Drittel kurz auf Standhaftes festnageln und vergeht sich sonst lieber an Fingerfertigkeiten, die auch in L.A.s anderer großer Branche sicher sehr gefragt wären. "Lantern heights" steht der Wahnsinn bis zum Hals und der Sinn nach Kuhglocken - vielleicht ein gut gemeinter Warnhinweis, weil die Drums schon wenig später und immer wieder blutunterlaufene Augen auf schwer entstellte Marschmusik-Patterns werfen. Tief darunter und weitgehend unverständlich liegen diverse Gesangsspuren begraben, die nach Schlachtenbummel und wenig Konkretem klingen. Wenn es zur Zeit aber eine Band gibt, bei der einem ungefähre Ahnungen von Inhalt und Texten schon zuviel sind, dann sicherlich Abe Vigoda.

Folgerichtig wäre es sinnlos, sich mehr Abwechslung von "Skeleton" zu wünschen. Richtungswechsel sind hier keine Frage von Songs, sondern von Sekunden, und der Clou ist ja gerade, dass sich 14 mehr oder weniger stabil verklebte Liedfetzen zu einem einzigen 32-Minuten-Anfall auftun. In seiner comichaften Überzeichnung wird das irgendwann nur noch mit den "Bang"-, "Rumms"- und "Zack"- Popups darstellbar, die in den sechziger Jahren eingeblendet wurden, wenn Batman und Robin im Fernsehen nach Ärger gesucht haben - und Abe Vigoda müssen sich doch noch vorwerfen lassen, dass No Age den gleichen Effekt mit noch mehr Arsch in der Hose und Hits auf der Habenseite erzielen. Kleiner Trost für die zweiten Sieger: Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit zumindest um 0,1% höher, dass sie jemals die Musik zu einem Bacardi-Werbespot beisteuern werden.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Dead city/Waste wilderness
  • Endless sleeper

Tracklist

  1. Dead city/Waste wilderness
  2. Bear face
  3. Lantern heights
  4. Whatever forever
  5. Animal ghosts
  6. Cranes
  7. Live-long
  8. The garden
  9. Hyacinth grrls
  10. World heart
  11. Gates
  12. Visi rings
  13. Endless sleeper
  14. Skeleton
Gesamtspielzeit: 32:36 min

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saihttam

2015-02-27 17:06:34

Und ich frage mich immer noch, was aus denen geworden ist. Sonst keiner?

saihttam

2013-07-17 23:47:48

gibts die eigentlich ncoh? wär ja eigentlich mal langsam wieder Zeit für was neues!

Pascal

2008-10-06 23:44:43

Gerade weil sie so ungewollt wirkt, mag ich die Platte so gern. Hier wird eben alles kurz angespielt, um es Sekunden später in der Luft zu zerreißen. Sympathisch, die Jungs;)

m.caliban

2008-10-01 12:38:55

Heißen die nicht Abe Vicoda?

Pascal

2008-10-01 12:37:00

Und die nächste Rezension folgt auf dem Fuße ;)

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