Kings Of Leon - Only by the night
RCA / Sony BMGVÖ: 19.09.2008
Ellbogengesellschaft
Drei Möglichkeiten für die Kings Of Leon, tatsächlich noch amerikanischer zu werden: 1.) Eine Split-Single mit Ted Nugent. 2.) Eine Split-Single mit Ted Nugent und Kid Rock. 3.) Ein Engagement als Wedding-Band auf der Hochzeit von Sarah Palins Tochter. Mehr können sie wirklich nicht mehr tun, um endlich auch in ihrer Heimat geliebt zu werden - sie haben schließlich schon Southern Rock, Schweinerock, Strokes-Rock und zuletzt auf "Because of the times" sogar angemessen durch den Dreck gezogenen Stadionrock versucht. Was übrig blieb, war immer zuerst das selbstverständliche Selbstbewusstsein vier weiterhin junger Burschen; ein Rock'n'Roll, der sich nacheinander die Ellbogen blutig schlug, seine Möglichkeiten auslotete und schließlich sogar sehr viel ernsthaftere Traditionen als Lynyrd Skynyrd aufs Korn nahm. Die Kings Of Leon werden von Bob Dylan und Radiohead verehrt. Eigentlich wollen sie aber nur, dass Bono sein okay gibt.
"Only by the night" schafft da mehrere Schritte auf einmal. Es entwickelt den mit Terpentin polierten Weltumarmer-Rock seines Vorgängers weiter und verzichtet gleichzeitig auf Stücke wie "Black thumbnail" und ihre Rückfälle in alte Rotznasen-Gewohnheiten. Die gemeingefährlichen Sachen passieren diesmal nur noch in den Hinterhöfen der Songs, dort wo sich Caleb und Matthew Followill die Finger an ihren Gitarren wund schrubben dürfen, während sich die Platte mit staatsmännischer Souveränität erste Überblicke verschafft. So spielt der Opener "Closer" eine Art Space-Rock mit Startschwierigkeiten, der folgerichtig eher implodiert als explodiert. Befreiung ist deshalb nur für Calebs geschundenen Geist denkbar. Wie gehabt beschwört der aufsässige Priestersohn um Sonne, Mond, Seele, Herz und Einsamkeit die klassischen Bilder des Rock'n'Roll und unterwandert sie mit einer Gewissenhaftigkeit, die sich irgendwo zwischen Eiseskälte und Heißblütigkeit einpendelt.
"Cold desert" heißt ausgerechnet der Song, in dem Caleb diese zunehmend theatralische, aber doch immer herzensnahe Gestenspielerei formvollendet - eine selbstmitleidige Abrechnung mit Jesus und den Frauen, die effektvoll ausfadet, nur um für ein letztes trotziges Aufbäumen zurückkehren zu können. "Only by the night" steht und fällt mit solchen Momenten der Unberechenbarkeit - auch und vor allem, weil sich die Songs darauf ein paar Mal zu oft unter Wert verkaufen. Die Leadgitarre verziert meistens nur, verwischt nichts mehr, die Drums haben zu oft schon das Publikum im Kopf, das auf der nächsten Tour mitklatschen soll. Eine absurde Vorstellung, weil Kings Of Leon doch überzeugte Bühnensteher sind und deshalb auch auf "Only by the night" gerade aus den Songs das Letzte herauskitzeln, die sich eigentlich keinen Zentimeter vom Fleck bewegen.
"I want you" ist so ein dräuendes, schwerfälliges Ding, das irgendwann die Kurve kriegt, ohne dass man wüsste, was jetzt genau passiert ist. Besser klappt da schon "Crawl", das konventionelle Songstrukturen umkrempelt, beim Totalversagen der Gitarren beginnt und seinen unerhört dreckigen Fuzzbass anschließend in immer kontrolliertere Bahnen lenkt, bis doch noch ein feuerfestes Solo den Plan durchkreuzt. So kann Classic Rock aussehen, wenn man ihn nicht wie in Stein gemeißelt, sondern als formbare Musikrichtung begreift, deren Spielregeln auch nur da sind, um gebrochen zu werden. Kings Of Leon sind weit davon entfernt, vor ihrer eigenen Courage in Ehrfurcht zu erstarren - wenn sie in "Revelry" noch ihre eigene Seifenspur aufwischen und mit "17" ohne erkennbare Distanz das größte denkbare Rockmädchen-Klischee zureiten, möchte man sich aber doch die alten Wunden an den Ellbogen aufkratzen. Keine Erinnerung ist schließlich schöner als die Schmerzen von gestern.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Closer
- Crawl
- Cold desert
Tracklist
- Closer
- Crawl
- Sex on fire
- Use somebody
- Manhattan
- Revelry
- 17
- Notion
- I want you
- Be somebody
- Cold desert
Im Forum kommentieren
Sloppy-Ray Hasselhoff
2023-01-24 00:48:33
"Closer" bleibt im Bandkatalog unerreicht.
Kai
2023-01-23 21:01:19
Betrachtet man das Album 15 Jahre später mit etwas Distanz und ohne die "entäusche Fanbrille" der "Urfans" ist das hier immer noch ein recht gutes und rundes Album mit einigen Hits.
Die 6/10 hier halte ich für etwas zu gering.
Was mir heute bei Spotify aber aufgefallen ist, ist wie schlecht das Album da klingt. Irgendwie habe ich das Mastering besser in Erinnerung. Teilweise Clipt es (etwa bei 17) und generell ist die Abmischung wenig dynamisch.
Abrechnung
2018-09-19 23:38:08
https://www.nme.com/blogs/nme-blogs/kings-of-leon-only-by-the-night-10-2381164
Ser Seno
2009-11-16 16:31:56
Für mich waren Kings of Leon bis vor kurzem auch nur eine weitere dieser "Wir sind total retro und haben lange Haare und sind unrasiert"-Bands. Ihre Musik hat mich absolut nicht interessiert, da mir diese Garagen-Retro-Welle zu dem Zeitpunkt damals absolut auf den Keks ging.
Ich bin also auch erst, durch "Use somebody" und "Sex on fire" richtig aufmerksam auf die Band geworden. Und nachdem ich danach auch in die älteren Alben reingehört habe, kam ich zu dem Schluss, dass mir "Only by the night" einfach am besten gefällt. Und anscheinend geht es ja vielen anderen auch so.
Klar ist es euer gutes Recht, euch zu ärgern, dass sie "mainstreamiger" und "glatter" geworden sind. Aber bitte schimpft nicht auf die Leute, die es anders sehen. Das zeugt nicht wirklich von Reife und Toleranz.
Ich habe damals z. B. Snow Patrol mit "Final Straw" für mich entdeckt. Da kannte sie noch kein Schwein. Umso mehr nervte es mich dann auch, als die Lieder von "Eyes Open" in irgendwelchen Mädchenserien hoch und runter gedudelt wurden. Es nervt mich auch, dass ein Großteil ihrer Hauptanhängerschaft seitdem anscheinend aus kreischenden Teenies besteht. Aber deshalb beleidige ich diese Leute trotzdem nicht, weil sie mir "meine Band" weggenommen haben und schuld am Ausverkauf sind. Das ist engstirnig und lächerlich.
Crack
2009-11-16 14:37:00
"Use Somebody" ist immer noch mein Favorit.
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Referenzen
Spotify
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