Friendly Fires - Friendly Fires

XL / Beggars / Indigo
VÖ: 05.09.2008
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Widdewiddewie

Das periphere Kulturgedächtnis ist schon ein Wunder für sich. Von den Verschwörungstheorien um Wickies wahres Geschlecht über die Area 51 und ihren George-Lucas-Lookalike-Contest (den die Ewoks alljährlich erdrutschartig gewinnen) bis hin zur Frage, wer jetzt eigentlich der Neffe von Pipis kleinem Onkel ist: Mit ein wenig Glück und anständigem Sprung in der Schüssel werden solcherlei Themen noch an die Außenwände der Hirnmembran klatschen, wenn ansonsten schon alles alterstarrsinniger Klackermatsch geworden ist. Was bei Friendly Fires so alles durch die Synapsen trümmert, ist zum einen glasklar: Alles und noch viel mehr und das da hinten übrigens auch noch. Zum anderen aber bleibt es rätselhaft, wie sich daraus ein Denkapparat zusammenzimmern lässt, der derart präzise und massiv funktioniert, wie es ihr selbstbetiteltes Debüt vorgibt.

Die volle Wucht gibt es gleich zu Beginn: Der Refrain von "Jump in the pool" gehört unbedingt zu den größten Indie-Pop-Momenten des Jahres. Ganz herrlich, wie es da schnarrt, schwurbelt und schabt und doch in einem einzigen Soundball aus Melancholie und Entschlossenheit auf und nieder hüpft. Zudem schleppt der Song neben seinem P-Funk-Koller ein Arsenal an Shoegazer-Synthies und -Gitarren mit, die auch "Paris" zu einem vollkommen überbordenden Schlusssatz verhelfen. Allerdings: Wo etwa Rides "Nowhere" eine einzige Welle auf dem Plattencover zur Standortbestimmung genügte, gibt es bei Friendly Fires im Video Wasserballett in Formvollendung. Kein Wunder: Wenn der Bass knattert und knarzt wie bei Girls Against Boys, die Polyrhythmik einen Samba-Wahnsinn veranstaltet wie in den hitzköpfigsten Momenten von Q And Not U oder Gitarren und Gesang von "In the hospital" derart in Schnappatmung ausbrechen, dass man meint, Justin Timberlake habe ein paar Knallerbsen eingeworfen, dann ist das eher Potpourri als Sound-Nirwana.

Im Großen zeigen Friendly Fires damit, wie gleich die Mittel, Harmonien und Ideen selbst gegensätzlichster Genres eigentlich sind. Dass sie das im Kleinen derart schlüssig klingen lassen, verblüfft allerdings immer wieder. Wie sie etwa bei "White diamonds" von Kuhglocken, scharf züngelndem Gitarrenfunk und Disco-Handclaps zu diesem vor Gram zergehenden Zwischenpart kommen, um danach wieder ordentlich die Pobacken zu schütteln, das ist schon ein recht abstruses Rätsel. Natürlich schmiedet Sänger Ed Macfarlane zusammen, was nur geht. Wenn Robert Smith endlich mal in seine Schuhe reinwachsen oder Bono den Stock aus der Lederhose ziehen würde, dann könnten beide einen ähnlich trittsicheren Tanz aufführen wie Macfarlane auf "Friendly fires".

Macfarlanes Stimme steht stets kurz vor der melancholischen Auflösung ohne auch nur ansatzweise zu zittern, breitet die Arme in Welterlöser-Spannweite aus, ohne dabei letztlich das Gemächt zu meinen. Und fängt so genau die Portion Understatement ein, die der Musik seiner Band ansonsten vollkommen abgeht - und sie so als einzig noch fehlendes Teilchen veredelt. Eindeutiger können Friendly Fires natürlich auch: "On board" und "Photobooth" sind lupenreine Discofunker, die sich von rein gar nichts vom Zieleinlauf abhalten lässt. Doch der Abschluss "Ex lover" macht noch einmal überdeutlich, widdewiddewie Friendly Fires sich ihre Tanzmusik vorstellen. Man kennt die Antwort.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Jump in the pool
  • Paris
  • Ex lover

Tracklist

  1. Jump in the pool
  2. In the hospital
  3. Paris
  4. White diamonds
  5. Strobe
  6. On board
  7. Lovesick
  8. Skeleton boy
  9. Photobooth
  10. Ex lover
Gesamtspielzeit: 37:13 min

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