Portugal. The Man - Censored colors
Defiance / CargoVÖ: 05.09.2008
Das dritte Ohr
Schwerer Fall von Rätsel-Band. So lautete die Diagnose, als Portugal. The Man aus Alaska vor rund zwei Jahren mit "Waiter: 'You Vultures'!" auf der Bildfläche erschienen. Bizarrer Bandname. Noch beknackterer Titel. Die Musik ein Mahlstrom aus wild durcheinandergewürfelten Indie-Rock-Versatzstücken, verdrehtem Emo-Widerhall und elektronisch unterwandertem Geräuschkram. Album Nummer zwei rutschte dann in einen abwechselnd stampfenden und säuselnden Sixties-Sumpf, was "Church mouth" den ungewohnten Charme des Nachvollziehbaren verlieh. Und was sich da bereits andeutete, wird nun auf "Censored colors" zur Gewissheit: Portugal. The Man, inzwischen zu viert, sind nicht nur im Grunde ihres Herzens, sondern auch musikalisch Hippies. Die aber immer noch genug Sinn für Krawall besitzen, um auch mal ihren kompletten Übungsraum die Treppe herunterzuwerfen.
Und was da alles durch die Gegend purzelt. Irrlichternde Pianos, mehrdimensionale Streicher, Bläser wie Stichflammen. Zudem beherrscht die Band es immer noch meisterhaft, ein Stück drei Mal abzuwürgen und wieder loszutreten, wie der Opener "Lay me back down" beweist. Als nächstes stolziert "And I" über federnde Keyboards, Akustikgitarren und abgeschnitten verhallte Stimmen, bis plötzlich ein Spiel-mir-das-Lied-vom-Tod-Riff das Kommando übernimmt und anschließend einem prachtvollen Refrain weicht. Drei Songs in einem. Mindestens. "Salt" vermengt dann nebelverhangene Farfisa-Orgeln mit ansteckenden Satzgesängen und kündigt gleichzeitig an, dass Portugal. The Man ihr Pulver noch lange nicht verschossen haben: "But this can't be all / We have to wait."
Jedoch nicht allzu lange: Nach einer verspielten "Intermission" kippt "Censored colors" in einen abenteuerlicheren zweiten Teil um. Die Stücke werden kürzer, lassen wenig Zeit zum Durchatmen und summieren sich trotz Trackunterteilung zu einem einzigen 25-minütigen Song, bei dem es schwer fällt, Einzelheiten herauszulösen. Man wünscht sich unweigerlich ein drittes Ohr, um dem Kaleidoskop aus Harmoniegesängen, gestopften Trompeten, Hardrock-Rütteln und psychedelisch aufgetürmten Deep-Purple-Momenten besser folgen zu können. Und Analogpuristen können sich auf mindestens eine Plattenseite aus farbigem Vinyl einstellen, bei der man aufgrund der mutmaßlich fehlenden Leerrillen zwischen den Stücken seine Mühe haben wird, eine bestimmte Stelle wiederzufinden. Doch dieses Manko ist in Kauf zu nehmen angesichts der weiterhin erstaunlichen Entwicklung von Portugal. The Man: in nur drei Alben vom merkwürdigen Post-Hardcore-Irgendwas zum elektrisch verstärkten Folkrock mit ausreichend Störfrequenzen, um am Lagerfeuer nicht wegzupennen. Da ist man fast schon wieder versucht, zu spekulieren, wie wohl die nächste Platte klingen könnte. Aber lassen wir das. Es kommt ja sicher sowieso alles ganz anders.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Lay me back down
- And I
- Salt
- Never pleased
Tracklist
- Lay me back down
- Colors
- And I
- Salt
- Created
- Out and in and in and out
- Intermission
- New Orleans
- Never pleased
- Sit back and dream
- Hard times
- Our times
- All mine
- 1989
- Our way
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noise
2008-12-28 00:50:04
censored colors musste ich mehrmals hören bevor es "zündete". Der erste Teil ist mir fast schon zuviel Beatles.
Aber Respekt! Schon gut gemacht.
Aber vor allem: In 3 Jahren 3 so verschiedene sehr gute Alben herauszubringen (plus die ...Wizard EP) ist schon eine Kunst.
Außerdem sind sie auch live kaum zu toppen.
Ergo: Großartige Band
Robi-Wan
2008-12-27 00:40:22
und für mich sogar neben "Third" das beste Album des Jahres.
Live außerdem bombastisch gewesen in Köln :-)
IVIJK (p.b.j.)
2008-12-26 17:55:13
Und in meiner Teilnahme hier beim Jahrespoll ist es dabei! Hah!!
m.caliban
2008-12-26 17:47:19
macht man nix falsch mit
lazybone (p.b.ὠ)
2008-12-26 17:45:07
Ja, 1989 geht sofort ins Ohr. Aber auch Lay me back down oder New Orleans sind tolle Songs.
Ich muss aber noch mehr hören.....
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