Benji Hughes - A love extreme

New West / Blue Rose / Soulfood
VÖ: 05.09.2008
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Der Schrank mit dem Gesichtspullover

Benji Hughes ist ein Kellerkind, das nach den Sternen greift. Vom Scheitel bis zur Sohle eine einzige Zitatcollage - selbst seinen Bart trägt er garantiert nur, um ein feist ausgestelltes Dauergrinsen zu verbergen. Oder auch die kalte Hundeschnauze, die er mit seinem fiktiven, vierpfötigen Namensvetter teilt. Denn an Kaltschnäuzigkeit und Neugier ist "A love extreme" wahrlich kaum zu übertreffen. Hughes' Songs stecken ihre Nase überall rein, wo sie erstmal nichts zu suchen haben, es aber prima Leckerchen zu holen, Lumpen und Halunken das Tagwerk zu verderben oder irgendeine Welt zu erlösen gilt. Zudem hat Hughes "A love extreme" zusammen mit Kumpel Keefus Ciancia als Doppel-CD inszeniert - eine Geste, die außerhalb ihres Größenwahns zunächst nur verwundert.

Alles ziemlich groß gesprochen also, doch ein Song wie "Where do old lovers go?" rettet zumindest erst mal den Tag - schnarrt zu Casio-Bleep-Bleeps, Monobeats und Transistorknistern zum Tanztee, und schwooft sich auf den ganz großen Puschen aus Dubbässen, Klavierakkorden und Streichersamples ein. Wenn dem Frauenchor darauf im besten Beatles-Stil vollkommen die Konzentration flöten geht, ist das der perfekte Abschluss für ein von vornherein völlig zu recht verblendetes Stück Musik. "Tight tee shirt" und "Why do these parties always end the same way?" zeigen sich demgegenüber zunächst geerdet, mischen monsterbeatwillig die Snareschläge mit Handclaps und die Bassdrum mit Bassfrequenzen, spinnen früher oder später aber auch davon, um tight beim Thema zu bleiben: Zehn Sekunden ohne neues Instrument, eine Strophe ohne merkliche Frequenzverschiebung, ohne Roboterstimmen, Gitarrensoli oder Bee-Gees-Zitat - Hughes weiß ganz genau, dass das nicht funktioniert. Wer die Klappe derart aufreißt, der muss auch halten, was er verspricht.

Stimmlich bewegt sich Hughes dazu zwischen etwas vergrummelten Beck und Badly Drawn Boy, kann auf "So well" aber auch eine Greg-Dully-Imitation anwerfen, dass die Wände wackeln. Die echten Folkpopper, wie "Waiting for an inventation" oder "All you've got to do is fall in love", fressen dann immer wieder genau die Kreide, die man fressen muss, um sich diese Völlereien des verqueren Popdudeldu hinterher so richtig schmecken zu lassen. Denn: Es ist schon glasklar, dass all diese Songs zunächst auf der Akustischen geschrieben wurden, allerdings erst dann funktionieren, wenn sie flittern und tanden, was das Songgerüst hält. Genau dieser spartanische Grundbau blitzt auch immer wieder durch, hat aber einen Heidenspaß daran, sich von dem nächsten hereinflutenden Detail verschrecken zu lassen. Geisterbahn und Gänsehaut für Singer/Songwriter, wenn man so will.

Auch das Konzept der Doppel-CD geht schließlich auf. Denn diese Ansammlung an Songs und Ideen hätte den Hörer, auf ganzer Länge hintereinander gepappt, vielleicht eher zermürbt. So aber ist eine Zwangsverschnaufpause eingewoben, die dem Gesamteindruck eine weitere positive Facette beifügt: Hughes weiß letztlich doch ganz genau, was er dem Hörer zumuten kann. Er schont ihn im Kleinen nicht, gibt sich im Großen aber verständnisvoll und moderat. Man fühlt sich gut aufgehoben bei "A love extreme", diesem Windhund der kleinen Popgeschichte. Hughes ist letztlich doch der beste Freund des Menschen. Ganz tief drinnen, im Kellergewölbe und Sinne seines Vornamens - unter dem Gesichtspullover.

(Tobias Hinrichs)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Tight tee shirt
  • Neighbor down the hall
  • Where do old lovers go?
  • So well
  • Coyotes
  • Ladies on parade
  • So much better

Tracklist

  • CD 1
    1. I am you, you are me, we are one
    2. Tight tee shirt
    3. You stood me up
    4. Neighbor down the hall
    5. Waiting for an invention
    6. Cornfields
    7. Why do these parties always end the same way?
    8. Where do old lovers go?
    9. Do you think they would tell you?
    10. All you've got to do is fall in love
    11. Mmmmmmm
  • CD 2
    1. Even if
    2. Girl in the tower
    3. Vibe so hot
    4. So well
    5. The mummy
    6. Love is a razor
    7. I went with some friends to see The Flaming Lips
    8. Coyotes
    9. Ladies on parade
    10. Jubalee
    11. So much better
    12. Love on a budget
    13. Lyegue
    14. Baby, it's your life
Gesamtspielzeit: 68:14 min

Im Forum kommentieren

Wolf

2008-11-17 11:51:35

Auch mir kommen beim Hören die Eels-Sachen in den Sinn. Finde auch, dass es mehr Sinn gemacht hätte, die besten Songs als Einzel-Cd rauszubringen. So verteilen sie sich zu sehr und es gibt einige weniger spannende Songs zwischendurch.

FlamingRudy

2008-08-27 12:49:23

Gefällt mir, erinnert mich tatsächlich an eine Mischung aus Beck und den verspulten Sachen der Eels (wenn auch ohne deren Dramatik). Durchaus nett, wenn auch als Doppelalbum ein wenig too much.

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Threads im Forum