Earthbend - Harmonia
Rookie / CargoVÖ: 22.08.2008
Sehnenscheidenentzückung
Das Handgelenk zögert. 45°. Bereits knapp über dem, was die Nachbarn zweifelsfrei mitkriegen. 55°, Lautstärke drei. Da haben die von oben drüber sich neulich bereits beschwert. Egal, das muss jetzt. 65°, unterhalten ist im Zimmer nicht mehr, vom Bahnhof vor der Tür hört man ebenfalls nichts mehr. Aber weniger geht einfach nicht bei "Harmonia", diesem wuchtigen Zweitling von Earthbend aus Finsterwalde, der erst dann seine volle Schlagkraft entfaltet, wenn der Ohrenarzt bestürzt die Hände über dem Kopf zusammenschlägt. Der Maurer dieser Wall of Sound, die da Classic-Rock-gleich aus den Boxen drückt? Ein gewisser Kurt Ebelhäuser, der sich hier als Produzent selbst übertroffen hat. Ein Schlagzeug-Sound, satter als Kate Moss nach vier Schnitzeln, dazu ein überrundes Bass-Fundament und sich aufbäumende Gitarrenbreitseiten - selten hat in letzter Zeit schon nur der Klang einer Band so viel Spaß gemacht.
Umso besser, dass der progressive Indierock des Trios aus vernebeltem Pink-Floyd-Trip, Blackmails Gitarrenwänden, Noise-Anleihen und ein paar britischen Tanzschuhen die passende Musik destilliert, um das groß geschneiderte Soundkostüm auszufüllen. Auch wenn es nicht im ersten Moment auffallen mag: "Harmonia" atmet die großen Gesten und mythische Entrücktheit der Supergroups der 1970er, und nicht mehr in erster Linie den Wüstenstaub der Queens Of The Stone Age, wie noch zu Zeiten des Debüts "Young man afraid". In Kombination mit einem erdigen, aber ungestümen Verständnis von Alternative Rock und mit unüberhörbarem Songwriter- und Gesangstalent ausgestattet, wird daraus eine der spannendsten Varianten gegenwärtigen deutschen Indierocks.
Man nehme nur den Titeltrack, der über seine fast zehn Minuten erst den Vocoder mundtot rockt, dann im Break den Song herunterbremst, nur um ihn dann noch einmal und heftiger wieder aufzubauen. "1000 yard stare" stampfen demnächst tausende Leute in der Disco mit, und "Bones" zwirbelt seine angezerrten Gitarrenharmonien fast 75 Sekunden zu einem stählernen Spannungsbogen, bevor der Song sein Bassriff freilässt, um am Ende wieder ein unkontrollierter Instrumentenwildwuchs zu werden. "Too many stars" brettert als AC/DC-Moment einmal quer durch Stone Rock City, und bei "Troja" weiß man vor lauter Bass- und Schlagzeug-Brodeln gar nicht, ob das nun mehr The Who oder Led Zeppelin war. "Dragon lady" ist da fast schon ein überraschend geradliniger Song, den auch diverse englische Jünglinge gern geschrieben hätten.
"Harmonia" wirkt an keiner Stelle, als wären Earthbend einen Kompromiss eingegangen. Eher bleibt die Platte immer ein bisschen zu eigen, um wirklich poppig zu werden, wie es Songs wie "Tropical heatwave" wenigstens andeuten. Die Melodien sind da, die Riffs, die großartigen Gesangsflächen - und doch bleibt die Musik den einen Schritt im Abseits, und schraubt lieber noch zum x-ten Mal den Refrain in den Himmel, als sich anzubiedern. Unabhängig, independent, sagt man wohl. Wo die Band nirgends zögert oder Zugeständnisse macht, fällt auch dem Handgelenk die Drehbewegung leichter. Ein lohnenswerter Nachbarschaftsstreit - 75°.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Harmonia
- 1000 yard stare
- Bones
Tracklist
- Harmonia
- Leroi
- 1000 yard stare
- Bones
- Too many stars
- Troja
- Dragon lady
- Scattergun
- Jadis
- Tropical heatwave
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brian
2008-12-16 11:09:28
lese das gerade von blackmail, krass, dabei habe ich blackmail zusammen mit earthbend in erlangen gesehen..hat so gut zusammengepasst, hoffe earthbend halten jetzt die stellung, damit ich wenigstens eine band habe, die mir momentan was bedeutet und noch existiert. bleibt sauber.
dragon lady warrior woman
Simon
2008-12-01 08:49:02
habe das auch gehört von Yoko Ono und earthbend, die sich mittlerweile kennen sollen, kann ich kaum glauben - beatles erben, oder was tststs;aber ihre musik ist schon sehr gut. simon
collin
2008-11-26 18:09:41
Am 14.3. spielen Earthbend wieder in Freiburg, allerdings alleine diesmal :-)
Greta
2008-11-26 17:16:15
Ja, die sind live wirklich super. Hab sie in Freiburg als Vorband von Blackmail gesehen. Waren große klasse. Hab mich dann auch gleich mit den Platten eingedeckt. Machen Spaß die Alben. :-)
geld wie heu
2008-11-26 16:10:36
...hab die jungs im berliner white trash gesehen...die werden groß!!!..der basser spielt eine doubleneck bass/git und dann noch fußorgel.voll krank die typen!
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