Dirty Pretty Things - Romance at short notice

Vertigo / Mercury / Universal
VÖ: 22.08.2008
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Im Perfekt

Geschichte funktioniert nicht ohne die Klang-Artefakte im Durchlauferhitzer des Jetzt. Wenn man diese Einsicht auf dem Filet Wellington aller Inseln jemandem zugetraut hat, dann wohl Saubermännchen Carl Bârat. Waren es auf "Waterloo to anywhere" gerade die Klang-Imperfekte, die wie ein leierndes Grammophon eine deutlich hörbare Unwucht aus der Geschichte schabten, so zeigt nun "Romance at short notice" recht deutlich, was übrig bleibt, wenn man all das Gejingel und Gejangel, das Zitternde, Polternde und Dudeldicke, all die bis zum finalen Kollaps durchgedrehten Brit-Pop-Historisierungen aus der Gleichung nimmt: Das zweite Album der Dirty Pretty Things entpuppt sich als lupenreine und sichere Sache - perfekt halt, und damit ebenso vollendet wie bedeutungslos.

Insbesondere die rockigen Stücke von "Romance at short notice" wirken hochpoliert, aufgehübscht und, ja huch, ziemlich amerikanisch. Man könnte auch Mainstream dazu sagen. Wobei man das auch bisher eigentlich schon immer sagen konnte, wenn es da nicht dieses seltsam insulare Versteckspiel gäbe, das Oasis für immer noch "irgendwie Punk" und Pete Dohertys Drogensucht für so herrlich authentisch hält. Dass Authentizität aber etwas für zehnjährige AutogrammjägerInnen ist, weiß Bârat hingegen schon lange, und so lässt er die Joe-Strummer-meets-Mike-Ness-Imitationen von "Hippy's son" und "Chinese dogs" gleich mal unter den Barhocker kippen, wo sie sich zwischen ihrer verzweifelten Punk-Attitüde und überdeutlichen Kummer-Melodien zu zwei richtig starken Liedern zurechtsudeln. "The North" und "Faultlines" gesellen sich als eindeutig rauscheuphorisierte Balladen nur zu gerne dazu ins Jammertal.

Umso verzagter wirken allerdings all die Gesten, mit denen die Qualifikation in Blue-Collar-Pop auf dem zweiten Bildungsweg erfolgen soll. Die hip angestoppten Gitarren, all die Beat-Beats und das nichtssagende Atmo-Georgel von "Buzzards and crows" kämpfen nicht nur um Aufmerksamkeit. Auch Bârats wohl auf ewig geknebelt bleibenden Reggae-Phrasierungen, die immer wieder in Ska-artige Refrains davonhuschen, kämpfen gegen eine Sounddichte an, in der sie nicht wirklich gut ausbalanciert werden. Wenn "Tired of England" dann auch noch Fanfaren und Weihnachtsglocken auspackt, ist das zugleich schlechter Witz, altbackener Hitsingle-Hascher und ein weiteres entlarvendes Detail urbritannischer Weltmachtsfantasie. Weil er allerdings selbstreferentiell gebrochen ist, bekommt der Song noch eindeutig die Kurve und schwenkt seine Akkord-Fahnen wie ein Kopfschütteln durch die eigene Wirrniss.

Wie gesagt: Um Authentizität geht es "Romance at short notice" dankenswerterweise zu keiner Sekunde. Dennoch kollidiert genau das mit der Art und Weise, wie die Dirty Pretty Things vor allem ihren Sound geradegezogen haben. Wäre die Ambition auch nachvollziehbar und könnte generell sogar hinhauen, so bleibt sie mit der Platte doch aufs Mittelmaß beschränkt. Brit-Pop ohne klangliche Hundemarke und Inzest-geschädigte Insel-CI ist eben Allerwelts-Gitarrenpop. So aufregend wie das täglich Brot derjenigen, die es postwendend für 'nen Appel und 'n Ei in Fish & Chips umsetzen.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Hippy's son
  • Faultlines

Tracklist

  1. Buzzards and crows
  2. Hippy's son
  3. Plastic hearts
  4. Tired of England
  5. Come closer
  6. Faultines
  7. Kicks or consumption
  8. Best face
  9. Truth begins
  10. Chinese dogs
  11. The North
  12. Blood on my shoes
Gesamtspielzeit: 45:57 min

Im Forum kommentieren

dorado

2008-10-01 16:45:49

die Dirty Pretty Things lösen sich leider auf, vielleicht gibts ja Hoffnung auf eine Libertines Reunion, auch wenn das in der News dementiert wird

http://www.nme.com/news/dirty-pretty-things/40139

Mixtape

2008-07-16 10:14:16

@ Apollon: Auch für dich noch mal: Es erscheint in Deutschland offiziell erst im August!

Apollon

2008-07-16 09:53:21

Mannomann, wann erscheint denn hier endlich eine Rezension des Albums?

dorado

2008-07-14 18:05:26

Ok das mit dem Erscheinungsdatum im August wusste ich nicht, über Amazon und iTunes ist die Platte jedenfalls seit 8. Juli zu beziehen...
sonst wenig Kanten stimmt schon, mir klingt es zu glatt, zu überproduziert, schöne Melodien sind trotzdem mit bei, alles in allem leider nicht so gut wie Waterloo to Anywhere

der_fall

2008-07-14 12:38:29

Die Songs haben sogar viel weniger Kanten, klingt alles recht glatt und sauber produziert, besonders der Gesang.

Bin aber mittlerweile auch recht angetan von dem Album.
Fav.Songs momentan: Plastic Hearts und Faultlines.

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