Mötley Crüe - Saints of Los Angeles

Mötley / SPV
VÖ: 27.06.2008
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Please, sleaze me

An karmischen Maßstäben gemessen, müssten Mötley Crüe längst geschlossen das Zeitliche gesegnet haben. Keine Band steht schließlich so sehr für den kultivierten Exzess und hat gleichzeitig die Dreistigkeit besessen, nicht restlos an dem 1981 begonnenen Lebensstil aus aufgedrehten Amps und noch aufgedrehteren Sex- und Drogeneskapaden zu Grunde zu gehen. Im Gegenteil existieren Mötley Crüe seit der Rückkehr von Schlagwerker Tommy Lee seit 2004 wieder in Originalbesetzung und erfreuen sich neben (mehr oder weniger) guter Gesundheit aktuell auch an "Saints of Los Angeles", ihrem ersten Studioalbum seit acht Jahren.

Stellt man in Rechnung, dass wohl nur die üblichen Dinosaurierbands à la Rolling Stones und AC/DC ein höheres Durchschnittsalter besitzen, darf man von den Heiligen aus Los Angeles ernsthaft überrascht sein: Kein Zipperlein lassen sich die Musiker anmerken, die bewegte Drogen- und Alkoholvergangenheit der Bandmitglieder wird im druckvoll produzierten, wuchtigen Sound nirgends hörbar. Wie zu ihren besten Zeiten preschen die alten Säcke nach vorn, und es ist wohl nicht ganz frei von Selbstironie, wenn ein 47-jähriger Vince Neill nach einem spooky L.A.-Intro im ersten Song "Face in the dirt" (ja, the dirt) seine gegenwärtigen Ziele herauskreischt: "I wanna make a lot of money / But I don't wanna go to school / I don't wanna get a real job / I don't wanna be you". Bei Mötley Crüe ist der jugendliche Spaß am Rock 'n' Roll zurück, auch wenn all das von der Altherrenveranda kommt.

Schließlich kriegen die meisten Twens mit ihren Bands nie auch nur einen einzigen so runden Song wie besagten Opener oder den Titeltrack mit seiner knalligen Gitarre und dem P.O.D.-Gedächtnischor hin. In "This ain't a love song" darf Mick Mars zeigen, wozu ein an arthritischer Endfünfziger mit künstlicher Hüfte in Sachen Gitarrensolo noch in der Lage ist, und mit "The animal in me" hat sich zuvor bereits eine derart schablonenhafte Powerballade über den Hörer ergossen, dass es auch Zweiflern warm ums Herz werden muss. Denn Mötley Crüe dürfen das, müssen sogar, weil dieses überkandidelte, aufgeblähte, exaltierte Rockstartum immer ihre originäre Pose war und bleiben wird. Selbst über die antiquierten Marilyn-Manson-Zitate in "White trash circus" lässt sich leicht hinweg sehen, da Songs wie "Just another psycho" oder "Goin' out swingin'" solche Kleinigkeiten ohnehin spielend wettmachen.

Es stimmt einfach unheimlich viel an "Saints of Los Angeles". So überraschend viel, dass man Nicki Sixx noch einmal ausdrücklich Recht geben möchte, wenn der feststellt, dass man es hier mit den eindeutig besseren Songs der letzten Mötley-Crüe-Zeit zu tun hat. Vor allem aber verputzt dieses Album mit dem ihm eigenen Glamour die Risse, die sich in den vergangenen Jahren nicht nur in der Haut der Protagonisten, sondern auch am Denkmal ihres Schaffens auftaten. Gekonnt kurzweilig klingen Mötley Crüe 2008, wo sie als Band das Gegenteil sind: erstaunlich langlebig.

(Dennis Drögemüller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Face down in the dirt
  • Saints of Los Angeles (Gang vocal)
  • Just another psycho

Tracklist

  1. L.A.M.F.
  2. Face down in the dirt
  3. What's it gonna take
  4. Down at the whiskey
  5. Saints of Los Angeles (Gang vocal)
  6. Mf of the year
  7. The animal in me
  8. Welcome to the machine
  9. Just another psycho
  10. Chicks=trouble
  11. This ain't a love song
  12. White trash circus
  13. Goin' out swingin'
Gesamtspielzeit: 44:10 min

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