She & Him - Volume one

Merge / Domino / Indigo
VÖ: 11.07.2008
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Polka dots

Hätten sich die Leute im Jahr 1959 nicht um Atombomben, Kommunisten und die Einführung der Barbie-Puppe sorgen müssen, wäre ihnen eine Band wie She & Him sicherlich gerade recht gekommen. Schöne Frau, fescher Mann, und Songs, die den unlängst abgestürzten Buddy Holly zwar auch nicht wieder lebendig, aber zumindest das Trauern um ihn etwas erträglicher gemacht hätten. Damals glaubten viele Menschen, der Rock'n'Roll sei ums Leben gekommen, bevor er überhaupt aus den Kinderschuhen wachsen konnte - und das She-&-Him-Debüt passt sehr gut zu diesem Gedanken, weil Rock'n'Roll auch auf "Volume one" noch etwas Unberührtes, kaum Definierbares, in jedem Fall aber Naives und Unschuldiges zu sein scheint. Ein Mädchen schreibt Schlafzimmersongs mit Gitarre, Klavier und süßstoffhaltigen Gesangsharmonien, ein Junge macht die Arrangements dazu, und das ist dann das.

"Volume one" erscheint so gesehen natürlich 50 Jahre zu spät. Verdächtig macht die Platte aber erst, dass She & Him ein Projekt der Schauspielerin Zooey Deschanel ("Almost famous", "Per Anhalter durch die Galaxis", "The happening") und des Songwriters M. Ward ist. Komisch genug schon, einen angehenden Hollywood-Star so weit abseits des Zeitgeists zu finden; merkwürdig aber auch, einen längst nicht mehr angehenden Folkrock-Wonderboy als umsichtigen, genügsamen Sidekick zu erleben. "Volume one" ist genau so low key, wie es noch geht, wenn die ausführende Sängerin gelegentlich in der Klatschpresse auftaucht - vor allem ist es trotz seiner altmodischen, traditionsbewussten Ausrichtung aber ein sehr mutiges Album. Auf dem Papier konnten sowohl Deschanel als auch Ward mit ihren angestaubten Countrypop-Jangles nur verlieren. In echt dekorieren sie einem mindestens das Nostalgie-Verständnis um.

Letztlich funktioniert "Volume one" aus den gleichen Gründen, aus denen es auch vor 50 Jahren funktioniert hätte: Deschanels Songs sind gut, phasenweise sogar großartig, und Wards Arrangements ergehen sich in reuloser Völlerei, ohne den Streicherkitt jemals zu dick anzurühren. "Why do you let me stay here?" twangt und hopst sich beim Versuch, unter sein eigenes Polka-Dot-Kleidchen zu gucken, um den Verstand. "Sentimental heart" nimmt als Opener und kleine Kammermusik vorweg, dass hier sicherlich nichts zurückgehalten wird. Und später dann, wenn die Sache längst von selbst läuft, werden Smokey Robinson und die Beatles gecovert. Es geht dabei nicht um hohlen Größenwahn, sondern ehrlich empfundenen Denkmalschutz - so viel zeigt sich schon in der respektvollen Trotzigkeit, mit der die Songs rückstandslos vom She-&-Him-Sound assimiliert werden.

Wer da noch meckern will, könnte höchstens das rückständige, wiederum 50er-Jahre-kompatible Bild der sentimentalen, in allen Liebesdingen hilflosen Frau kritisieren, das "Volume one" in seinen Texten zwischen Herzschmerz, -bruch und -stillstand zeichnet. Dafür müsste man aber schon die ironischen Twists in Musik und Lyrics oder Deschanels Hang zum Augenzwinkern übersehen, der die Platte immer wieder ausbremst, bevor sie zu mauerblumig wird, und von vornherein nahelegt, all das nicht ernster zu nehmen als die letzte Freitag-Abend-Bekanntschaft. Wenn "This is not a test" vergeblich versucht, seine geheimen Pophit-Absichten zu verstecken, singt Deschanel ohnehin eher mit gegen die Hüften gestemmten als über dem Kopf zusammengeschlagenen Händen. Und spätestens nach der rührend vorgetragenen Zeile "I'm alone on a bicycle for two" sollte man sich sowieso daran erinnern, womit diese Frau hauptberuflich ihr Geld verdient.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Sentimental heart
  • Why do you let me stay here?
  • This is not a test
  • Sweet darlin'

Tracklist

  1. Sentimental heart
  2. Why do you let me stay here?
  3. This is not a test
  4. Change is hard
  5. I thought I saw your face today
  6. Take it back
  7. I was made for you
  8. You really got a hold on me
  9. Black hole
  10. Got me
  11. I should have known better
  12. Sweet darlin'
  13. Swing low sweet chariot
Gesamtspielzeit: 36:27 min

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